0443 - Lady Panthera
Vielleicht haben wir Glück und finden einen Zeugen, der die beiden gesehen hat.«
»Der wird sich vor Angst in die Hose gemacht haben.«
»Verdammt!« zischte ich. »Irgendwo muss sie doch geblieben sein. Die hat sich bestimmt nicht in Luft aufgelöst.«
Wir befanden uns in einer engen Straße. Viele der hohen Häuser besaßen nur winzige Fenster.
Suko und ich fühlten uns unwohl. Diese Straße kam uns vor wie eine Falle. Obwohl wir niemanden sahen, hatten wir das Gefühl, beobachtet zu werden.
Die Luft drückte. Es war am Tage sehr heiß geworden. Jetzt roch es nach einem Gewitter und nach einem dicken Regenguss. Die Luft hatte sich schon abgekühlt. Aus einigen Gullyritzen stiegen Dampfschwaden, als würde unter den Deckeln etwas kochen.
Am Ende der Gasse sah ich plötzlich eine Gestalt. Es war ein Mann.
Auch er musste uns gesehen haben, blieb stehen, starrte uns entgegen und rannte weg.
Suko wollte schon starten, ich aber hielt ihn zurück. »Las ihn laufen, das wird nicht der einzige sein.«
»Meinst du?«
»Sicher.«
Vielleicht gehörte er auch zu Lady Pantheras Dienern, die sich irgendwo verborgen hatten. Manchmal sahen wir auch einen Lichtfleck hinter einem der Hausfenster. Hier waren nicht alle Häuser unbewohnt.
Irgendwo am weiten, düsteren Himmel machte ein Gewitter mit Wetterleuchten auf sich aufmerksam.
Vor einer Haustür blieb ich stehen. In der ersten Etage hatte ich hinter einer schmutzigen Scheibe einen rotgelben Lichtfleck entdeckt. Da war noch jemand auf den Beinen.
Ich deutete nach oben. »Mit dem reden wir mal.«
»Soll ich hier unten bleiben?« fragte Suko.
Die Idee war gar nicht schlecht. »Okay, behalte du die Umgebung im Auge.«
»Meinen Warnpfiff kennst du noch?«
»Wie sollte ich den je vergessen?« Ich schlug Suko auf die Schulter und probierte durch eine Drehung am altmodischen Knauf, ob die Haustür offen war.
Sie war es. Ich schob mich in den dunklen Flur, fand einen Lichtschalter, und es passierte nichts, als ich ihn herumdrehte. Man schien hier auf Beleuchtung keinen Wert zu legen.
Das Haus kam mir vor wie eine Falle. Als schräg in die Höhe steigender Schatten malte sich der Treppenaufgang ab. Sehr leise bewegte ich mich, ließ die Lampe auch stecken, lockerte aber die Waffe.
Die Luft war zum Schneiden dick. Hinzu kam die schweißtreibende Schwüle und der unangenehme Geruch, der sich ausgebreitet hatte. Er war überhaupt nicht zu identifizieren.
Auf dem Absatz zur ersten Etage sah ich einen zusammengerollten Schatten liegen. Erst als ich dicht vor ihm stand, erkannte ich einen schlafenden Menschen.
Ich stieg über ihn hinweg und drehte mich nach rechts. Dort musste das Zimmer liegen, hinter dessen Fenster ich den Lichtschimmer entdeckt hatte.
Leise klopfte ich an.
Hinter der Tür rührte sich nichts. Zwar sind wir angehalten, höflich zu sein, in diesem Fall überging ich das Gebot und öffnete die Tür.
Warme Luft schlug mir entgegen, und auch den trüben Lichtschein sah ich, den eine alte Stehlampe verbreitete, die am Fenster neben einem Sessel stand, in dem ein Mann hockte und den Kopf so gedreht hatte, dass er gegen die Scheibe schauen konnte.
Er musste auch mich wahrgenommen haben, denn als ich an der Tür stehenblieb, sprach er mich an, ohne den Kopf zu drehen: »Kommen Sie näher.«
Ich schloss die Tür. So leise wie möglich schritt ich über die knarrenden Holzdielen und blieb neben dem Sessel stehen. Der Mann drehte nicht einmal den Kopf. Ich sah, dass er schlohweißes Haar hatte, das ihm bis auf die schmalen Schultern fiel. Die Siebzig musste er schon erreicht haben. Er trug ein weißes Hemd mit Stehkragen, eine graue Hose und ebenfalls graue Hosenträger, die über seine schmalen Schultern liefen.
Ich begrüßte ihn.
Er nickte nur.
»Sitzen Sie schon lange hier?« fragte ich ihn.
»Ja.« Er nickte bedächtig. »Ich bin alt geworden und kann einfach nicht schlafen. So sitze ich hier die Nächte durch und schaue zu, wie die Gegend stirbt. Ich habe sie noch anders gekannt, aber das ist vorbei. Man kann zuschauen und auf den Tod warten. So mache ich es auch.«
»Wollen Sie sterben?«
»Nein. Wer stirbt schon freiwillig? Aber ich weiß, dass meine Zeit bald gekommen ist. Hier hat sich vieles verändert.«
»Was, zum Beispiel?«
Noch hatte ich ihn nur im Profil gesehen. Seine Nase stach spitz hervor.
»Das wissen Sie doch, Mister. Sie haben sich bestimmt nicht bei uns hier verirrt.«
»In der Tat.«
»Suchen Sie die
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