0444 - Die Nonne mit der Teufelsklaue
denn verheiratet?«
»Auch nicht.«
Karen lächelte und kam wieder näher. »Ich will ja nicht neugierig sein, sind Sie denn in festen Händen?«
»Können Sie schweigen?« fragte ich sie.
»Immer.«
»Ich auch!« flüsterte ich, sah, daß sie einen roten Kopf bekam und sich hastig abwandte.
Im Korb lag noch eine dunkle Brotschnitte. Während ich sie mit Butter beschmierte und die letzte Scheibe Schinken darauflegte, räumte Karen weiter auf.
Meine Gedanken aber drehten sich um Father Ignatius. Es war nicht seine Art, sich zu verspäten. Wenigstens nicht über 30 Minuten. Da konnte etwas nicht stimmen.
Schneller als gewöhnlich aß ich das Brot, spülte mit Tee nach und stand auf.
»Sind Sie fertig, Sir?« Karen lächelte schon wieder.
»Ja, Sie können abräumen.«
»Und das mit London überlegen Sie sich bitte. Ich würde sogar mit Ihnen fahren.«
»Da wäre Ihr Vater aber ganz schön sauer.«
Sie winkte ab. »Der kriegt sich auch wieder ein. Jedenfalls möchte ich hier nicht versauern.« Während ihrer Worte stampfte sie zweimal mit dem Fuß auf.
Ich nickte ihr noch einmal zu und verließ den Gastraum durch eine schmale, dunkelgestrichene Tür. Eine ebenfalls dunkle Holztreppe führte in die beiden oberen Etagen, wo die Gästezimmer lagen. Die Treppe war ebenfalls alt. Als ich über die Stufen nach oben ging, schienen sie unter der Last langer Jahrhunderte zu stöhnen.
Unsere Räume lagen in der ersten Etage. An den Wänden hingen Bilder von schottischen Künstlern, die allesamt Motive aus ihrer Heimat gemalt hatten und die Stimmung der oft weiten Moorlandschaft treffend wiedergegeben hatten.
Vor der Tür zu Father Ignatius’ Zimmer blieb ich stehen und klopfte zweimal ziemlich hart.
Eine Antwort erhielt ich nicht.
Selbst wenn er noch geschlafen hätte, dieses Klopfen hätte ihn aufwecken müssen.
Mein Mißtrauen steigerte sich. Hinzu kam noch das unbestimmte Gefühl der Beklemmung. Wir waren ja nicht zum Vergnügen hier, sondern wollten eine Reihe rätselhafter Morde aufklären, für die es keine rationale Erklärung gab.
Möglicherweise hatte die Gegenseite schon reagiert und in Father Ignatius eine Gefahr für sich erkannt.
Die Zimmertür war nicht verschlossen. Ich stieß sie auf, betrat den Raum und blieb wie angewurzelt stehen.
Pater Ignatius lag rücklings auf dem Bett. Und er sah aus, als wäre er vor einer Stunde erst gestorben.
***
Mich durchzuckte der Schreck wie ein heißer Schwall. Mit wenigen Schritten hatte ich das Bett erreicht, ließ mich auf dessen Kante nieder und sah erst jetzt, daß der Pater mit beiden Händen sein altes Holzkreuz umklammert hielt.
Entweder schlief mein Freund tief und fest, oder er war bewußtlos. Ich wollte ihn jedenfalls aufwecken.
Ich füllte ein Zahnputzglas mit kaltem Wasser und ging zu Father Ignatius zurück.
Als ich ihm die ersten Tropfen ins Gesicht träufelte, zuckte er zusammen und öffnete plötzlich die Augen. Er sah mich an wie einen Fremden, schüttelte leicht den Kopf und flüsterte: »Du?«
Ich grinste schief. »Wer sonst? Du hast ja lange geschlafen, mein Lieber.«
Durch das Zimmerfenster schien die Sonne und malte einen hellen Streifen auf den Boden. In ihn schob sich der Schatten des Paters hinein, als er sich aufrichtete, sitzenblieb und den Kopf schüttelte. Sein Haar war fast weiß geworden, aber noch immer wirkte er irgendwie alterslos mit seiner faltenlosen Haut und den etwas kantigen Gesichtszügen. Auf seine Berufskleidung, die Mönchskutte, hatte er bei diesem Einsatz verzichtet. Sie lag im Kloster St.
Patrick.
»Ich weiß nicht, was geschehen ist, John.«
»Du hast verschlafen.«
»Nein.«
»Doch!«
Er winkte unwirsch ab. »Sieh das nicht nur aus deiner Sicht, und laß mich überlegen. Es war in der Nacht, ja, es muß in der Nacht gewesen sein, als ich Besuch erhielt.«
»Von wem?«
»Ich konnte nichts erkennen, aber die Gefahr war auf einmal vorhanden. Sie ließ meine Nerven vibrieren, ich fühlte mich von etwas ungemein Bösem umzingelt. Deshalb griff ich nach dem Kreuz, konnte das Böse auch stoppen und sogar vertreiben. Aber es warnte mich oder uns.«
»Inwiefern?«
»Das muß die Nonne gewesen sein, denn sie forderte uns auf, wieder zu fahren.«
»Dabei hätte sie dich töten können.«
»Das stimmt, John, aber ich hatte mein Kreuz. Vielleicht ist sie dadurch vertrieben worden.«
»Das kann sein.«
»Jedenfalls hatte ich das Gefühl, daß sie gekommen war, um mich zu töten.«
»Womit? Kannst du
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