0446 - Der Fluch aus dem Grab
jeden Winkel, er berührte die grauen Fliesen, die Wanne und die Wolke, die über ihr schwebte und einen scharfen Geruch abgab, auf den die Frau nicht achtete, denn sie hatte den Schädel auf der Fensterbank entdeckt.
Er stand neben der alten Toilettenschüssel. Ein graubleicher Schädel, dessen Gebein von gelblichen Einschlüssen durchzogen war. Zwei Löcher als Augen, ein drittes als Mund, ein viertes als Nase.
Und auf dem Schädel stand die Kerze. Sie hatte dort ihren Platz gefunden, als würde sie für alle Zeiten dazugehören. Eine dunkelrote Kerze, die aussah wie ein langer erstarrter Blutstropfen. Ein dunkler Docht ragte aus dem Oberteil hervor, dessen Spitze leicht nach innen gekrümmt war.
Das Kerzenwachs hatte sich auf der Schädelrundung verlaufen, so dass die einzelnen Streifen ebenfalls wie Blutfäden wirkten. Einige von ihnen liefen bis an die oberen Ränder der leeren Augenhöhlen.
Sie hatte diesen Anblick erwartet, irgendwie auch erhofft, doch als sie jetzt vorging, zitterten ihre Beine.
In diesem Zimmer sollte sie sich umbringen. Zwischen den dunklen schmutzigen Wänden würde ihr Leben ein Ende finden, und es war jemand da, der sie auch erwartete.
Harry, ihr Mann…
Normalerweise wäre sie schreiend davongelaufen, aber sie dachte nur an ihn, der im Jenseits auf sie wartete und bereits die Tür zu diesem Reich offenhielt.
Vor der Toilettenschüssel blieb die Frau stehen. Noch brannte die Lampe, doch sie benötigte sie nicht mehr und legte sie zur Seite, schaltete sie aber noch nicht aus.
Erst als sie ein Zündholz angerissen und die Flamme gegen den Docht gehalten hatte, löschte sie mit einem Knopfdruck den Lampenschein.
Ein anderes Licht breitete sich aus. Es wirkte nicht so kalt und flackerte.
Gleichzeitig Helligkeit und Schatten erzeugend, so dass diese Figuren in einer gespenstischen Art und Weise über Wände, Decken und auch den Boden tanzten.
Die Wanne wurde ebenfalls nicht verschont, und die Schatten vermischten sich mit dem Dunst oder Rauch, der aus der breiten Wannenöffnung in die Höhe stieg.
Ein beißender Nebel, der gegen Gladys drang, von ihr eingeatmet wurde und an den Schleimhäuten kratzte, so dass sie heftig husten musste.
Dennoch drehte sie sich der Wanne zu. Die Frau hatte Miles' Worte nicht vergessen.
»Wenn die Kerze brennt, wirst du erkennen können, wie du deinem Leben ein Ende setzt, um bei deinem geliebten Harry einen neuen Anfang zu machen.«
»Harry!« hauchte sie. »Harry, wo bist du denn?« Ihre Stimme war bei den letzten Worten schriller geworden. Sie drehte sich der Wanne zu, schaute hinein. »Harry!« Plötzlich stieß sie einen Schrei aus. Die Augen weiteten sich. »Harry!«
Da sah sie ihn!
Sein Gesicht schwebte in der Wanne. Es zeichnete sich nicht in den Schwaden ab, sondern war auf der Oberfläche dieser etwas dicklichen Flüssigkeit zu sehen.
Fast wie in einem Spiegel…
»Harryyy…« Sie heulte den Namen ihres Mannes. Gleichzeitig verzerrte sich ihr Gesicht. Tränen liefen über die Wangen.
Harry antwortete nicht. Ein Geist konnte nicht sprechen. Und geisterhaft zeichnete sich tatsächlich sein Gesicht auf der Oberfläche ab. Harrys Gesicht, das sie so sehr geliebt hatte und das sie nicht mehr sehen konnte. Es sei denn, sie ging zu ihm.
Ja, sie wollte ihrem Mann folgen. Er hatte sie zwar nicht gerufen, aber sie wusste plötzlich genau, was sie zu tun hatte. Sie beugte sich vor.
»Harry!« sprach sie und nickte dem Bild ihres Mannes zu. »Harry, ich werde zu dir kommen, dann sind wir wieder vereint.« Sie redete mit einer hohen Stimme. Es hörte sich an, als würde ein Kind sprechen.
Es waren ihre letzten Worte.
Mit einem glücklichen Lächeln auf dem Gesicht stieg sie in die Säure…
***
Jane, der Rocker und ich hätten eine Ruhepause verdient gehabt, doch sie wollten wir uns nicht leisten. Auch für Jane kam sie nicht in Frage.
Auf meinen Vorschlag, sie nach Hause zu Lady Sarah Goldwyn zu fahren, hatte sie fast entrüstet geantwortet, und so waren wir drei zum Yard Building gefahren, wo die Kollegen von der Nachtschicht nicht schlecht staunten, als sie sahen, welchen Besuch ich mitgebracht hatte.
Jerry Granate hing noch immer in der Handfessel und war mit mir verbunden. Er machte einen erschöpften und gleichzeitig verbissenen Eindruck. Wie ein Mensch, der nicht weiß, was er jetzt unternehmen soll und deshalb starken Schwankungen ausgesetzt ist.
»Soll er in U-Haft?« wurde ich gefragt.
»Ja.«
»Okay, ich sage Bescheid.«
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