0446 - Der Fluch aus dem Grab
Banion die Tür auf. Er wusste schließlich, was sich gehörte.
Jane trat in das Sprechzimmer.
Es sah längst nicht so steril aus, wie man es möglicherweise hätte vermuten können. Irgendwie roch es muffig. Vielleicht lag es auch an der alten Goldstreifentapete und an den immer vorgezogenen, lichtundurchlässigen Gardinen.
Jane kannte den Weg. Der andere ließ sie vorgehen, Als die Detektivin ihm den Rücken zudrehte, spürte sie den zweiten Schauer auf der Haut.
Sie mochte es nicht, wenn sich der Kerl hinter ihr befand, aber das war nun nicht mehr zu ändern.
Wie immer nahm Jane Collins auf der Couch nun Platz. Wie ein schüchternes Mädchen hatte sie sich auf den Rand gesetzt, und wie immer schloss der Tiefenpsychologe beinahe lautlos die Tür.
»So, meine Liebe, jetzt sind wir unter uns. Diese Sitzung ist die wichtigste von allen.«
»Ja, ich weiß.«
»Ziehen Sie bitte Ihre Schuhe aus.«
Auch dieses Ritual kannte Jane. Sie streifte die flachhackigen Slipper ab und ließ sich nach hinten fallen. Jeder Kunde bekam ein Kissen für den Hinterkopf.
Es war klein, quadratisch und mit einem weißen Stoff überzogen. Eine körnige Füllung verstopfte sein Inneres.
Neben der Couch blieb Miles Banion stehen. Er wirkte auf Jane groß, fast riesig. Sein Gesicht kam ihr wie ein Gemälde vor, weil es vom schwarzen Bart eingerahmt wurde.
»Du bist vorbereitet?« erkundigte er sich mit seiner leisen, akzentuierten und vertrauenerweckenden Stimme.
»Das bin ich.«
»Heute wirst du nach der großen Prüfung das Haus betreten dürfen. Dann führt dich der Weg direkt zu ihr.«
Jane lächelte. »Ich freue mich darauf.«
Die Augen des Mannes vergrößerten sich. »Ich ebenfalls«, antwortete er mit tiefer Stimme, bevor er sich umdrehte und an seinen Schreibtisch trat, wo er eine Schublade aufzog.
Dort holte er etwas hervor. Jane konnte es nicht sehen, auch als sie zur Seite schielte, nur als Banion wieder neben der Couch stand und seine Faust öffnete, erkannte Jane den Gegenstand, der nach unten gefallen war, aber von einem schmalen dunklen Band gehalten wurde.
Es war ein Pendel!
Daran wäre nichts Außergewöhnliches gewesen. Jane Collins kannte zahlreiche Pendel, aber dieses war trotzdem etwas Besonderes. Das Pendel besaß einen herzförmigen Umriss.
»Siehst du es?« fragte Miles Banion.
»Natürlich.«
Banion lächelte, wobei seine Augen funkelten. Er schaltete das Licht der kleinen Tischlampe ein, so dass sein Behandlungszimmer in einen weichen und dunklen Schein gehüllt wurde.
»Ein Herz!« hauchte er. »Ja, es ist ein Herz.« Er hielt es gegen das Licht. »Ich liebe es, denn es gibt mir auch die Kraft weiterzumachen. Weißt du, wem das Herz einmal gehört hat oder in wessen Brust es schlug. Weißt du das, Jane?«
»Nein…«
»Es ist das Herz des Hexers gewesen. Ja, meines Urahnen. Und ich habe es erhalten. Ich allein bin dafür verantwortlich. Ich habe Miles Banions Herz übernommen, ich, der ebenfalls Miles Banion heißt. Du siehst, Jane Collins, bei mir befindest du dich in besonderen Händen.«
»Deshalb bin ich gekommen.«
Banion holte sich einen Stuhl heran und baute ihn neben dem Bett auf.
»Es war auch dein Gewissen, das dich hergetrieben haben muss. Glaube es mir. Du hast mit einem Leben abschließen wollen, das dich sehr geprägt hat. So etwas geht nicht so leicht. Das kann man nicht einfach wegschleudern. Das Leben hat dich gezeichnet. Du hast auf einer Seite gestanden, die von den Menschen nicht akzeptiert werden kann. Sie wollen es nicht glauben, sie hassen so etwas, oder sie fürchten sich davor. Aber dein Gewissen hat sich gemeldet, nicht wahr?«
»Ja.«
»Verspürst du Sehnsucht?«
»Auch.«
»Das reicht mir nicht«, flüsterte Miles Banion. »Ich meine damit die echte Sehnsucht deiner ehemaligen Herrin und Freundin Wikka.«
»Ich will sie sehen.«
Miles Banion schüttelte den Kopf. »Das reicht nicht, was du mir da gesagt hast. Nein, es reicht nicht aus. Deine gesamte Seele muss von dieser Sehnsucht erfüllt sein, sonst hat es keinen Sinn. Du mußt es dir wünschen wie nichts zuvor.«
Er schwieg und schaute Jane Collins direkt an.
Sie wich seinem Blick nicht aus. Das konnte sie gar nicht, die Augen des Mannes waren auf sie gerichtet. Wieder einmal musste Jane Collins zugeben, dass von Miles Banion etwas Zwingendes ausging. Er konnte anderen Menschen seinen Stempel aufdrücken. Er brauchte nicht viele Worte, er handelte.
Und Jane bekam so etwas wie Furcht. Eine gewisse
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