0446 - Höllenfrost
wußte er noch, daß sie eine atemberaubende Figur besaß, aber um einen Phantomzeichner der Polizei mit einer exakten Beschreibung zu versorgen, war er nicht mehr fähig.
In der Schankstube saß immer noch Neil Porter, der Athapaske. Auch er hatte die Frau gesehen.
Aber er hatte noch mehr gesehen.
Das Böse war nach Quinhagak gekommen.
Der Schatten, den er über Briggs gesehen hatte, hatte Gestalt angenommen. Die Gestalt dieser Shirona.
***
»Wie gehen wir vor?« fragte Nicole Duval. Sie sah Zamorra und Ombre an. Der »Schatten« fuhr sich mit der Zungenspitze über die trockenen Lippen. Er schloß die Augen. Dann zuckte er mit den Schultern.
»Sie haben die größere Erfahrung, Zamorra«, sagte er. »Bestimmen Sie, was getan wird. Dann kann ich über Sie lachen, wenn’s schiefgeht.«
»Auch ’ne Einstellung«, sagte Nicole. »Haben Sie die von Ihrer Schwester, Ombre?«
Der Neger winkte ab. Er drehte den Kopf zu Zamorra. »Also, Meister des Übersinnlichen?«
Zamorra deutete auf sein Amulett.
»Wir sind alle durch die Amulette in jene Traumwelt des ominösen Fürsten gezogen worden«, sagte er. »Ich bin sicher, daß die Amulette - Ihres ebenso wie meines - dadurch mehr über den Urheber wissen. Wir sollten die beiden Scheiben miteinander verbinden.«
Das klappt nicht, unkte in Zamorras Bewußtsein die lautlose Gedankenstimme seines Amuletts. Ich protestiere.
Zamorra verzichete auf eine Antwort. Er war nicht sicher, wie Cascal es aufnehmen würde, daß er sich mit Merlins Stern unterhalten konnte. Vielleicht würde die spürbare Abneigung und Scheu des Negers vor seinem Amulett dadurch nur noch größer werden. Dennoch gab diese Information Zamorra zu denken.
Er trommelte Morsezeichen auf die silberne Scheibe und hoffte, daß sie ihn verstand. Es wird funktionieren müssen.
Ich protestiere energisch ! antwortete das Amulett.
Ich kann dich zwingen, mitzumachen.
Natürlich. Aber du wirst es lassen. Du könntest mich zu deinem Feind machen. Wage es nicht noch einmal, mich zu hypnotisieren.
Zamorra zuckte zusammen. Er erinnerte sich daran, daß Merlins Stern ihn gewarnt hat, jene Traumwelt zu berühren. Das Amulett hatte sich geweigert. Zamorra hatte ein bisher einmaliges Experiment versucht und Merlins Stern hypnotisch gezwungen, ihm zu Willen zu sein. Offenbar hatte das Amulett ihm das übel genommen.
Merlin hat dich geschaffen, um zu dienen, nicht, um wilde Reden zu schwingen und dich über klare Anweisungen deines Herrn hinwegzusetzen, trommelte er im Morse-Rhythmus. Diesmal gab das Amulett keine Antwort. Vielleicht hatte die Erwähnung Merlins es eingeschüchtert.
Zamorra verzog das Gesicht. Damals, als er zum erstenmal Kontakt mit der Gedankenstimme bekam und es sich allmählich herauskristallisierte, daß in dem Amulett ein eigenes, künstliches Bewußtsein entstand, da war er von diesem Phänomen fasziniert gewesen. Aber seit den letzten Ereignissen war er gar nicht mehr froh darüber. Ein magisches Werkzeug, das zu eigenständig wurde, hatte ihm noch nie gefallen können. Er wünschte sich, es wäre wieder so wie früher.
Aber dies war eine Entwicklung, die er keinesfalls rückgängig machen konnte. Er hatte keine Kontrolle darüber. Er wußte nicht einmal, was diesen Prozeß ausgelöst hatte.
Er wußte nur, daß es langsam, aber sicher störend wurde. Anfangs hatte er die Hinweise und Warnungen gern hingenommen. Jetzt aber wollte er sich nicht von einer handtellergroßen Scheibe aus magischem Metall vorschreiben lassen, was er, der Mensch, zu tun oder zu lassen hatte.
»Miteinander verbinden?« fragte Cascal, dem die kurze »geistige Abwesenheit« Zamorras durchaus aufgefallen war. »Wie wollen Sie das machen? Ein Loch bohren, eine Schraube hindruchdrehen? Oder Sekundenkleber anwenden?«
»Lassen Sie mich nur machen«, sagte Zamorra. »Ich kriege das schon hin. Es wird anders sein, als Sie denken, Ombre. Aber vielleicht finden wir dadurch die Spur. Außerdem ist da noch jene seltsame Anziehungskraft, die Sie damals nach Florida führte. Wenn die Amulette gekoppelt sind, werde ich versuchen, beides miteinander zu verbinden.«
»Ich kann mir das nicht vorstellen«, sagte Cascal. »Ich begreif’ einfach nicht.«
Zamorra lächelte.
»Sie sollten mir vertrauen«, sagte er.
»Und dann werden Sie sich wundern…«
Cascal lachte auf. »Vertrauen? Jeder, dem ich vertrauen sollte, hat bisher versucht, mich hereinzulegen. Ich vertraue niemandem.« Nur einem, dachte er. Aber der ist jetzt
Weitere Kostenlose Bücher