0446 - Höllenfrost
und liebten gemeinsam den gleichen Mann. Sie waren psychisch so gleich, daß kein Konkurrenzdenken in ihnen aufkommen konnte. Und Rob Tendyke? Der genoß es einfach…
»Ich glaube es für dich mit, Rob«, sagte Uschi ernst. »Laß Julian für eine Weile in Ruhe. Er ist sensibler, als du denkst. Was er jetzt nicht braucht, ist jemand, der ihm zuredet und ihm sagt, er habe dasselbe in seiner Jugend auch schon erlebt.«
»Du meinst, den Verlust meiner Heimat zu erwähnen…«
»… war ein Fehler. Damit verunsicherst du ihn nur. Er wird glauben, du wolltest dich nur bei ihm einschleimen, Vater Tendyke. Seine rebellische Natur wird ihn das so sehen lassen und ihn gegen dich einnehmen. Vergiß nicht, daß er gerade seine Pubertätsphase durchmacht oder schon hinter sich hat, daß er jetzt in die Rebellenphase gekommen ist. Zumindest in diesem Punkt ist er menschlich, Rob! Zudem hast du ihn mit dem Hinweis auf deinen Vater verunsichert. Wer ist dein Vater?«
»Meine Heimat befindet sich nicht in dieser Welt«, sagte Tendyke schroff und wandte sich ab. Er schritt in die Dunkelheit einer Nebenhöhle hinein und verschwand in der Dunkelheit.
Betroffen sah Uschi Peters ihm nach. Sie spürte, daß sie ihn verletzt hatte. Er wollte nicht über seine Abstammung reden. Warum nicht? Schämte er sich dafür? Er hatte angedeutet, sein Vater sei seinerzeit sein Feind geworden.
Weshalb?
Er wollte nicht darüber reden; es blieb ein Rätsel. Und Uschi kam nicht einmal auf den Gedanken, ihn zusammen mit ihrer Schwester telepathisch auszuhorchen. Selbst wenn er keine mentale Sperre besessen hätte - dafür liebten sie ihn beide viel zu sehr, um in seine ganz privaten Gedanken einzudringen.
Eines Tages würde er von selbst darüber reden müssen.
***
Phil Briggs siebzig Jahre? Wie vierzig fühlte er sich. Oder wie dreißig. Mit hinter dem Kopf verschränkten Armen lehnte er sich gegen das Kissen des breiten Bettes zurück. Er genoß den Anblick von Shironas nackter Schönheit. Die Schwarzhaarige saß vor ihm, lachte leise und zufrieden. Sie hatte es gewollt, und sie konnte mit Briggs zufrieden sein. Er war stark gewesen wie vor vielen Jahren. Und er war von einem tiefen Glücksgefühl erfüllt. Diese verführerische, wunderschöne Frau hatte sich ihm hingegeben, ihm, dem Siebziger!
Er lebte nicht mehr lange, aber er hatte das Leben noch einmal richtig auskosten können. Es war etwas anderes gewesen als in einem Bordell. Dort bezahlte er für ein paar kurze Augenblicke falschen Glücks. Hier aber -hier war eine ganze Person nur für ihn allein. Eine wunderschöne Frau mit langem schwarzem Haar. Und er hatte sie nicht überreden müssen. Sie waren aufeinander zugegangen.
»Warum lachst du?« fragte er schmunzelnd.
Sie erhob sich. »Weil du stirbst«, sagte sie.
»Weil ich - was?« Er sprang ebenfalls auf, und von einem Moment zum anderen war seine Glückseuphorie vorbei. Das Grauen sprang ihn an. Wieso redete diese Frau davon, daß er starb?
»Shirona…«
»Weil du stirbst«, wiederholte sie. »Deine Zeit ist abgelaufen. Du weißt es, und ich weiß es.«
»Aber… aber wieso… woher…« Er fand keine Worte mehr. Die Angst krallte sich in ihm fest, preßte sein Herz mit Stahlklammern zusammen. Mühsam rang er um Atem. So fit er sich eben noch gefühlt hatte - jetzt griff die Schwäche zu. Jetzt fühlte er sich nicht mehr wie dreißig oder vierzig, sondern wie hundertdreißig. Er sank auf das Bett zurück. »Wer bist du?«
Da sah er, wie sie sich verwandelte.
Aus ihrer Stirn schoben sich Hörner, kunstvoll gedreht, und aus ihrem Rücken wuchsen Fledermausschwingen. In ihren Augen loderte das Feuer der Hölle. »Der Teufel«, keuchte Briggs.
»Du bist gekommen, um mich zu holen, nicht wahr? Du willst mich töten und meine Seele in die Hölle entführen! Und du hast mir vorher noch den schönsten Genuß meines Lebens bereitet, aber dafür kann ich dir jetzt nicht mehr danken… warum hast du es nicht dabei gelassen? Warum tust du mir diese Grausamkeit noch an, mir zu sagen, wer du bist?«
Ihre teuflischen Attribute entwickelten sich zurück. Nach wenigen Sekunden sah sie wieder so aus wie zuvor.
»Vielleicht siehst du deine Lage zu schwarz«, sagte sie. Sie ließ sich ihm gegenüber auf einem Stuhl nieder, den sie umgedreht hatte; sie verschränkte die Arme über der Rückenlehne und legte den Kopf darauf. Ihr Lächeln war fast wie eine eingefrorene Maske.
Er starrte sie nur in kaltem Entsetzen an und wunderte sich,
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