0447 - Totenschiff der Templer
gestemmt, verstehst du? Es ist eine Verpflichtung gewesen. Das Kreuz wurde nur an bestimmte Menschen weitergegeben. Und zwar an die, in denen der Vorgänger jeweils wiedergeboren war. So sieht es aus.«
»Du lügst!«
»Nein, dein Halbbruder hat recht behalten. Er konnte dich nicht vernichten. Er versuchte nur, die Menschen zu schützen. Ich aber werde das vollenden, was ihm mißlang.«
»Das schaffst du nicht!« knirschte er.
»Warten wir es ab. Deine Piraten draußen werden dir nicht helfen können, wir schlagen sie zurück. Weshalb bist du überhaupt erschienen? Was willst du in dieser Kirche?«
»Ich werde das Kreuz zerstören. Jetzt, wo ich beide besitze, schaffe ich es!«
»Meinst du?«
»Ja!« Er schrie die Antwort und zog seine beiden Degen hervor.
Suko war beunruhigt. »John, ist alles in Ordnung?« rief er mir zu.
»Alles klar.«
»Hier nicht. Sie versuchen, das Portal aufzubrechen. Vielleicht hält es noch für eine Minute…«
»Versuche sie zu stoppen.«
Während unseres lautstark geführten Dialogs war der Kapitän nicht stehengeblieben. Er ging rückwärts auf sein Ziel zu und erreichte bald den Randschein des Kerzenlichts.
Mein Kreuz hing vor seiner Brust. Ich wußte noch immer nicht, wie er das andere vernichten wollte und war deshalb sehr gespannt darauf.
Langsam folgte ich ihm.
Noch hatte er mich nicht angegriffen. Er würde etwas tun müssen und schleuderte den rechten Degen praktisch aus dem Handgelenk.
Die Waffe jagte in direkter Linie auf mich zu. In Gürtelhöhe hätte sie mich durchbohrt. Ich tänzelte zur Seite, der Degen verfehlte mich und landete hinter mir an der Wand.
Blitzschnell holte ich ihn und eilte dem anderen nach. Er hatte bereits die Kerzen erreicht. An der Tür entstanden krachende Geräusche, als eine Meute versuchte, in die Kirche einzudringen. Noch hielt das alte Holz, aber es würde irgendwann in den nächsten Sekunden bersten.
Der Kapitän sprang über die Kerzen hinweg. Ich kam mit Riesenschritten auf ihn zu, er drehte sich, so daß sich das übergroße Steinkreuz in seinem Rücken befand.
Mit der freien Hand hatte er die Kette über den Kopf gestreift und hielt mein Kreuz vor sich.
»Da ist es!« brüllte er. »Es wird mir helfen, die Magie meines Bruders zu vernichten. Ich habe dem Teufel geschworen, Hector de Valois’ Erbe zu zerstören. Heute ist der Tag gekommen. Beide Kreuze werde ich vernichten. Deines, das von der Hölle gezeichnet worden ist und einen Teil der Kraft eingebüßt…«
Er sprach nicht mehr weiter, auch ich sagte kein Wort und konnte nur staunen.
Er stand hinter den Kerzen, ich davor. Suko hielt an der Tür Wache, Mario hatte seinen Platz am Fenster verlassen. Er huschte mit langen Schritten auf Suko zu, um ihn zu unterstützen.
Das hatte ich nur aus den Augenwinkeln wahrgenommen.
Wichtig war nur der Kapitän – und das Kreuz!
Wie er beide hatte vernichten wollen, wußte nur er selbst, aber ein anderer war gekommen.
Aus den Tiefen einer unfaßbaren Dimension, die man das Jenseits nannte, waren Kräfte auf die Reise geschickt worden, die niemand erklären oder begreifen konnte.
Man mußte sie als Tatsache hinnehmen, und diese Realität besaß einen Namen.
Hector de Valois!
Der Führer eines mächtigen Templer-Ordens, der damals die Ideale eines Christentums verteidigte, zeigte sich genau an der Stelle des Kreuzes, wo die beiden Balken sich trafen und das Siegel König Salomos eigentlich hätte seinen Platz haben sollen.
Ich kannte Hector de Valois, ich wußte, wie er aussah und daß es keine Täuschung war.
»Nein, Kapitän!« Die Stimme war auf einmal da, sie füllte die Kirche aus. »Mein Erbe wirst du nicht zerstören, auch wenn du die Zeit genau abgewartet hast. Aber es gibt Menschen, deren Schicksal es ist, nie zu sterben, sondern in einem anderen Körper wiedergeboren zu werden. Ich gehöre dazu, ich stehe auch vor dir.«
Le Capitaine drehte das Kreuz, schaute es sich von der Vorderseite an und sah das Gesicht seines Halbbruders. Ein irrer Schrei drang aus seinem Mund. Er taumelte zurück, fiel mit dem Rücken gegen den hohen, senkrecht stehenden Balken, breitete die Arme aus und hielt sich mit der linken Hand an dem entsprechenden Balken fest, denn seine Knie wollten nachgeben.
»Das ist die endgültige Stunde der Abrechnung!« dröhnte die Stimme Hector de Valois’ genau in das Splittern des alten Kirchenportals hinein. »Ein anderer wird dich köpfen!«
Jetzt war klar, was ich zu tun hatte.
Und ich ging
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