0449 - Chirons Höllenbraut

Rücken. Es war der Zentaur, auf dem vorher die Schwarzhaarige gesessen hate. Chiron drehte den Kopf und grinste Nicole höhnisch an. Sie erkannte ihn wieder. Es war der, der im Château Montagne randaliert hatte.
    Die Schwarzhaarige fand auf seinem Rücken und hinter Nicole ebenfalls noch Platz. Nicole überlegte, ob sie etwas aus dieser Situation machen konnte. Aber die Schwarzhaarige warnte sie: »Denk nicht einmal daran! Oder hast du vergessen, wie schnell deine Geisel starb? Auf einen toten Zentauren mehr oder weniger kommt es uns nicht an, selbst wenn dieser Zentaur Chiron sein sollte!«
    Nicole schluckte.
    In was für eine Welt war sie hier geraten? Eine Welt, deren Bewohner nicht davor zurückschreckten, ihre eigenen Artgenossen bedenkenlos zu opfern !
    Die Herde trabte an.
    Nicoles Fluchtversuch war gescheitert, kurz nachdem er begonnen hatte, und es war nicht abzusehen, ob ihr ein zweiter Versuch gelingen würde.
    Immerhin wurde sie jetzt etwas komfortabler als vorhin zum unbekannten Ziel transportiert…
    Aber was war das für ein Ziel? Und was erwartete sie dort?
    ***
    Verblüfft starrte Zamorra die Silberscheibe an. »He, das gibt’s doch nicht«, stieß er hervor. Er erklärte den ebenso überraschten Zwillingen, was passiert war.
    »Aber Leonardo deMontagne kann doch mit seiner Magie den Abwehrschirm nicht durchdringen«, entfuhr es Monica Peters. »Und nur er kann doch aus der Ferne dein Amulett abschalten!«
    »Normalerweise ist er der einzige«, bestätigte Zamorra, »und er hat mir in der Vergangenheit ja auch schon eine Menge sehr übler Streiche gespielt. Aber… hier hat er seine Finger ausnahmsweise mal nicht im Spiel.«
    »Wer dann?« fragte Uschi.
    »Dieses Stück Metall«, sagte Zamorra und klopfte mit dem Zeigefingerknöchel auf das Amulett, »läßt es sich in letzter Zeit auch schon mal einfallen, sich selbst abzuschalten. Mal sehen, ob ich es wieder in Tätigkeit setzen kann.«
    Es gelang ihm, als er Julians Zimmer verlassen hatte und draußen auf dem Gang ein paar Meter zurücklegte. Merlins Stern schaltete sich da fast von selbst wieder ein. Das war ein weiterer Hinweis auf eine Selbstabschaltung. Wenn der Fürst der Finsternis eingriff, war es ungleich schwieriger und komplizierter, das Amulett wieder zu aktivieren. Es konnte viele Stunden konzentrierter Arbeit bedeuten, wenn nicht gar einen geschlagenen Tag.
    »Warum hast du das getan?« fragte Zamorra das Amulett.
    Das sich in der Silberscheibe entwickelnde Bewußtsein ließ sich mit der Antwort Zeit. Eine Weile schien es Zamorra, als wolle ihm Merlins Stern die Antwort verweigern. Das war nichts Ungewöhnliches. Bisher hatte das Amulett sich immer nur von sich aus mit orakelhaften Andeutungen gemeldet; daß es annähernd zusammenhängende Gespräche gab, gehörte zu den Seltenheiten.
    Diese Auseinandersetzung kann ich nicht führen, teilte das Amulett lapidar mit. Die lautlose Stimme wurde nur in Zamorras Kopf hörbar. Die Zwillinge, obgleich Telepathen, bekamen davon nichts mit.
    »Und weshalb?« fragte Zamorra. »Ist dir nicht klar, daß es um Nicole geht?«
    Das Amulett antwortete nicht.
    »Es geht um Menschenleben«, wiederholte Zamorra. »Es geht vielleicht auch um Julians Leben. Auf jeden Fall aber um unsere Sicherheit.«
    Merlins Stern schwieg weiter.
    »Ich verlange, daß du aktiv bleibst und herauszufinden versuchst, was sich in diesem Zimmer abgespielt hat.«
    Nein.
    »Warum nicht?«
    Aber Merlins Stern dachte gar nicht daran, eine Erklärung abzugeben. Besonders gesprächig war das Amulett allerdings noch nie gewesen.
    »Du weigerst dich also?«
    Ja. Kürzer ging’s nicht mehr.
    »Ich werde dich zwingen…«
    Im gleichen Moment glaubte Zamorra, eine Miniatursonne würde in seinem Kopf explodieren. Geblendet schloß er die Augen, aber das half ihm auch nicht weiter, weil diese Blendung von innen heraus zu kommen schien.
    Du wirst mich nicht zwingen! Du hast es einmal getan, hast mich hypnotisiert, und ich habe dir angekündigt, daß du es kein zweites Mal tun wirst! Sei gewarnt: Es würde mich und dich zerstören!
    Zamorra schluckte. Er öffnete die Augen wieder und sah die Silberscheibe an. »Wie sollte das möglich sein?«
    Das laß nur meine Sorge sein. Diese Auseinandersetzung führe ich nicht.
    »Dann verrate mir endlich, weshalb nicht!« rief Zamorra verärgert. Er fühlte sich an der Nase herumgeführt. Das Amulett erging sich in Orakelsprüchen, sagte aber nichts zur Sache aus. »Vergiß nicht, daß Merlin dich