0449 - Chirons Höllenbraut
dasselbe, wagten aber nicht, es auszusprechen: »Den sehen wir lebend nie wieder!«
***
Julian Peters erlaubte sich ein schmallippiges Lächeln. Sein jüngster Versuch, in seiner eigenen Traumwelt wenigstens teilweise wieder Herr zu werden, war gelungen. Zwei seiner Krieger hatten sich zu ihm gesellt. Mit devotem Kopfnicken grüßten sie ihren Fürsten. Doch wo der Palast mit der Dienerschaft und den anderen Kriegern geblieben war, konnten sie ihm nicht verraten.
Ihre Erinnerung reichte nur bis zu dem Moment, in welchem Julian sie zu sich rief. Was zwischendurch geschehen war, war für sie nur ein großes schwarzes Loch, eine Lücke im Gedächtnis. Vor diesem Gedächtnis-Loch existierte noch die Teilerinnerung an Julians erste Traumphase, in welcher er diese Welt geformt hatte, die dann während seiner Wach-Phase seiner Kontrolle entrissen worden war - oder schon vorher, direkt nach ihrer Erschaffung.
Auch die beiden Krieger wunderten sich. Zu viel hatte sich für sie verändert. Suchend sahen sie sich nach ihren Kameraden um und nach dem festen Dach, das sie vorher über dem Kopf gehabt hallen. Aber all das war verschwunden.
Julian zuckte mit den Schultern. Er wußte, daß es keinen Sinn hatte, sie zu befragen. Sie wären doch nur Traumgeschöpfe, von ihm in diese Welt gestellt. Demzufolge konnten sie nicht mehr wissen als das, was er ihnen an Wissen mit gegeben hatte. Er, der Herr der Träume, war ihr überlegener Meister. Sie waren seine Kreaturen, die ihm niemals überlegen sein konnten. Sie konnten höchstens ihn fragen und sich vom ihm Hilfe erhoffen, nicht umgekehrt.
Aber nun hatte er sie wieder stabilisieren können, wenigstens diese zwei, und er war froh, daß sie die Schweißtropfen nicht bemerkt hatten, die er sich von der Stirn gewischt hatte. Er hatte sich sehr anstrengen und verausgaben müssen, um gegen das Fremde anzukämpfen, das ihm die Kontrolle über das Wichtige nicht zurückgeben wollte. Aber er hatte es besiegt -einmal, und er hoffte, daß das ein erster entscheidender Schritt war, sich seine Welt zurückzuerobern und wieder das hineinzustellen, was er haben wollte. Nicht sich mit dem zufriedengeben, was das andere ihm gab!
Jetzt wartete er auf eine Reaktion. Das andere konnte schließlich nicht zulassen, daß Julian stärker wurde und sich seine Welt zurückeroberte.
Kurz versuchte der Träumer, wieder im Château Montagne aufzuwachen. Aber das funktionierte noch nicht. In diesem Bereich wurde er immer noch von dem Fremden blockiert, dem er den Kampf angesagt hatte.
Er war gespannt, was sich als nächstes ereignen würde.
***
In einem anderen Teil der Welt, in einer Kellerwohnung in Louisianas Hauptstadt Baton Rouge, betrachtete ein Mann nachdenklich eine handtellergroße Silberscheibe. Er verfluchte sie nicht zum erstenmal. Sie bestimmte mehr und mehr sein Schicksal, und dagegen wehrte er sich innerlich. Aber er wurde diese Scheibe auch nicht los, dieses Zauberamulett. Jedesmal, wenn er sich fest vorgenommen hatte, es fortzuwerfen, zu verkaufen oder zu verschenken, hielt dieser Entschluß nicht lange vor. Er setzte ihn nie in die Tat um. Etwas Unbegreifliches hinderte ihn daran. Oft hatte er sich nach dem Grund gefragt. Aber es schien keinen plausiblen Grund zu geben. Einmal hatte er seine Schwester gebeten, das Amulett fortzugeben, weil er selbst nicht dazu in der Lage war. Aber es war wieder zu ihm zurückgekommen - jemand, der ihn kannte, bekam es in die Hand, erinnerte sich daran, wem es gehörte und konnte und wollte sich nicht vorstellen, daß Ombre sich freiwillig von diesem auffälligen, aber sicher äußerst wertvollen Schmuckstück getrennt hatte!
Ombre, wie man ihn überall nannte, hatte es wieder an sich genommen. Er hatte nicht die Kraft aufgebracht, dem Mann zu sagen, er wolle diese Silberscheibe nicht mehr besitzen.
Nun hatte er das Amulett wieder.
Ombre, dessen wirklichen Namen — Yves Cascal - so gut wie niemand kannte, fühlte Unruhe in sich. Er hatte dieselbe Unruhe schon einmal gespürt. Damals, als er in eine fremde Welt versetzt wurde und mit Shirona zusammentraf, und mit jenem seltsamen Fürsten, den er irgendwoher zu kennen glaubte. Der Fürst hatte dann behauptet, in Tendyke's Home gewesen zu sein, als auch Cascal dort war. Er erinnerte Cascal an jene geistige Berührung, die es seinerzeit gegeben hatte.
Doch Cascal wußte immer noch nicht genau, mit wem er es damals zu tun gehabt hatte. Die Traumwelt hatte sich aufgelöst und ihn in die Wirklichkeit
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