0449 - Das Schreckgespenst
Wolken hochstob.
Wer es in die Nase bekam, mußte niesen. Er war dann zumindest gehandicapt.
Ich war schon unterwegs. Als sich der heimtückische Killer hochstemmen wollte, war ich so nahe bei ihm, daß ich ihn mit einem Tritt erwischen konnte.
Meine Schuhspitze traf seine rechte Schulter. Er kippte zurück, schob auch die Plastikeimer weiter, doch die verdammte Waffe ließ er einfach nicht los.
Mit beiden Armen ruderte er, schaffte sich so lautstark Platz und wollte wieder hochkommen.
Ich hämmerte meine gekrümmte Handkante auf seinen rechten Unterarm. Er schrie wie eine Sirene nach dem Treffer auf. Das Messer fiel ihm aus der Hand. Zwar versuchte er, es vom Boden aufzunehmen, seine Finger konnte er kaum bewegen.
Ich bückte mich, packte ihn an der Kutte, riß ihn hoch und schleuderte ihn zurück in den Schrank, wo er krachend landete und das untere Bodenbrett splitterte.
Dann erst machte ich Licht, denn ich hatte den Schalter neben dem Schrank entdeckt.
Die Kugel an der Decke wurde zu einem gelben Meer, auf dem der Fliegendreck aussah wie kleine Inseln. Aus dem Schrank hörte ich keuchende und jammernde Laute. Den Messerkiller hatte es hart erwischt. Die Klinge würde ich mir später anschauen. Es war durchaus möglich, daß er dieses Schreckgespenst gewesen war.
Ich ging zum Schrank und holte den Kerl raus. Wieder zog ich ihn an der Kutte hoch. Er hing wie ein toter Gegenstand in meinem Griff, und als seine Füße über den Boden schleiften, begann er, unverständliches Zeug zu brabbeln.
In der Nähe fand ich einen Hocker. Ich schob ihn dicht vor die Wand und drückte den Messerhelden auf die Sitzfläche. Er konnte sich anlehnen, hielt sich seinen rechten Arm und schaute zu mir hoch.
Zum erstenmal gelang es mir, ihn richtig anzusehen. War er ein Mann? Nein, ein später Jugendlicher, vielleicht um die Zwanzig.
Sehr blaß im ballonartigen Gesicht, mit wirren, völlig verschnittenen Haaren, die fahlblond glänzten.
Auch in seinen Augen lag ein ungewöhnlicher Glanz. Gleichzeitig entdeckte ich in ihnen auch eine gewisse Stumpfheit. Vielleicht entstand der Eindruck auch deshalb, weil er die Pupillen verdreht hatte und irgendwie schielte.
Der Mund klaffte offen. Speichel rann über die Unterlippe, und die Winkel waren zu einem Grinsen verzogen.
Wieder begann er zu kichern. Das traf bei mir auf Unverständnis.
Ich konnte nicht begreifen. Daß er in seiner Situation noch loskicherte. Das wollte nicht in meinen Kopf.
»Wer bist du?«
Er kicherte weiter.
Ich stellte die Frage dreimal, ohne eine Antwort zu bekommen.
Allmählich dämmerte es mir. Möglicherweise verstand mich der junge Mann überhaupt nicht, denn sein Geist schien verwirrt zu sein.
Ja, so mußte es sein.
Ich hatte hier einen armen Menschen vor mir, der für seine Taten nicht zur Rechenschaft gezogen werden konnte. Deshalb auch dieser so fremd wirkende Blick.
Er war auf dem Hocker zusammengesunken und starrte vor seine Schuhe. Sie waren schwarz und sahen klobig aus.
»Komm«, sagte ich.
Wieder reagierte er nicht. Erst als ich ihm unter die linke Schulter faßte und ihn hochzog, folgte er dieser Bewegung. Später im Gang trottete er neben mir her, den Kopf gesenkt und dabei Worte stammelnd, aus denen ich nicht schlau wurde.
Sein rechter Arm schlenkerte hin und her. Der junge Mann schien keine Schmerzen zu spüren.
Kurz vor der Treppe blieb er stehen und sagte plötzlich. »Ich bin Rudy. Ja, ich bin Rudy. Ich bin Rudy…« Wie ein Automat wiederholte er nur diesen einen Satz, als er die Stufen hinabging. Manchmal lachte er auch dabei oder stöhnte regelrecht auf.
Die Kampfgeräusche mußten gehört worden sein, denn auf halber Treppe schon kam mir Sir Wilfried entgegen. Sein Gesicht zeigte Erstaunen, als er uns sah.
»Ist er das?«
»Ich weiß nicht.«
Sir Wilfried drehte sich auf der Stufe und ging vorsichtig zurück.
Von Sheila Conolly und Flo Dennings wurden wir ebenfalls erwartet. Flo zitterte, als sie den neben mir hergehenden jungen Mann sah. »Sie… Sie haben das Schreckgespenst gefangen. Das ist der Mörder, nicht wahr, Mr Sinclair? Das ist er.«
»Ich heiße Rudy. Ich heiße Rudy…« So hörten wir ihn alle sprechen. Er verstummte erst, als wir ihn in einen Sessel drückten und er dort gebeugt verharrte.
Sheila faßte mich am Arm. »John, was ist denn los? Was hat es gegeben, und wo ist Bill?«
»Der wollte in der letzten Etage nachsehen.«
»Aber du hast Erfolg gehabt.«
Mein »Ja« kam etwas gedehnt, doch Sheila
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