0449 - Der Tod im Mädchen-Pensionat
Haftbefehl?«
»Nein.«
»Dann kommen Sie wieder, wenn Sie einen haben. Ich habe keine Lust, mich mit Pflastertretern zu unterhalten, die von meinen Steuergroschen leben.«
»Wie Sie wollen, Mockton«, erklärte ich langsam und betont. »Dann bitte ich Sie zum Verhör. Es besteht der Verdacht, daß Sie ein wichtiger Zeuge eines Kapitalverbrechens sind, und Sie wissen selbst, daß wir wichtige Zeugen verhören müssen. Sie kommen mit uns zum FBI-Gebäude und werden in den nächsten vierundzwanzig Stunden verhört. Wir sind verpflichtet, ohne Haftbefehl Sie nach vierundzwanzig Stunden wieder laufen zu lassen.«
Seine Lider zogen sich zu schmalen Schlitzen zusammen. In diesem Augenblick hatte ich mir einen Feind erworben, der an mich denken würde, das spürte ich sofort. Und ich nahm das nicht auf die leichte Schulter.
Aber ich dachte an Ann Roach und Lis Triggling, und ich hätte den Oberbürgermeister oder sonst wen festgenommen, der mir in diesem Falle die Antworten auf meine Fragen verweigerte. Es mußte in meinem Gesicht zu lesen sein, daß mir nicht nach leeren Drohungen war. Denn Mockton stand plötzlich auf. Mit einem Achselzucken meinte er leichthin:
»Na schön, schnappen wir mal für fünf Minuten frische Luft. Die besten Mädchen hier kommen sowieso nicht vor ein Uhr auf die Bühne.«
Wir schoben uns durch die Menge, nachdem Mockton einem devoten Kellner erklärt hatte, daß er gleich wiederkäme. Draußen pflanzte sich der Riese neben seinen Boß und betrachtete mich hungrig. Auch Phil erntete einen gierigen Blick.
»Na, los doch!« forderte Mockton. »Redet euch von der Seele, was ihr zu reden habt, und dann verschwindet!«
Ich steckte mir eine Zigarette an und ließ mir Zeit. Erst nachdem ich die ersten beiden Züge genossen hatte, fragte ich leichthin:
»Wollen Sie unbedingt einen Zeugen bei unserer Unterhaltung haben, Mockton?«
»Oh, das ist ein guter Freund von mir. Was, Dave? Vor dem habe ich keine Geheimnisse. Wir sind sozusagen unzertrennlich. Wo ich hingehe, da geht er auch hin.«
»Das ist aber nett von ihm«, sagte ich. »Allerdings kenne ich einen Ort, wo es sehr fraglich ist, ob ihr beide dort zusammen hingehen dürft.«
»Wenn Sie drohen wollen, werden Sie ruhig deutlich, G-man. Dann kann ich Ihnen meinen Rechtsanwalt auf den Hals hetzen. Sprechen Sie es ruhig aus, von welchem Ort war denn gerade die Rede? Von einem Zuchthaus etwa?«
»Ich werde es Ihnen sagen, Mockton. Sobald die Stunde dafür gekommen ist. Aber dann werden Sie nicht mehr auf einem hohen Roß sitzen.«
Mocktons Brust wölbte sich, als er tief Luft holte. Der Riese neben ihm wartete nur auf ein Zeichen, um seine Muskelberge in Bewegung zu bringen.
»Wo waren Sie heute abend zwischen acht und neun?« fragte ich schneidend. »Und probieren Sie nicht erst Ausflüchte! Ich habe Ihnen gesagt, daß es sich um ein Kapitalverbrechen handelt. Und überlegen Sie sich verdammt genau, was Sie sagen, Mockton. Es könnte Ihr Leben davon abhängen.«
Er wäre nicht so groß geworden, wenn er ein Dummkopf gewesen wäre. Auch jetzt erfaßte er sofort die Situation. Er wußte auf Anhieb, daß es uns mehr als ernst war.
»Heute abend zwischen acht und neun?« wiederholte er in scheinbarer Gleichgültigkeit. »Tja, wo waren wir denn heute abend zwischen acht und neun, Dave? Wissen Sie, G-man, ich sehe abends nämlich nie auf die Uhr, wenn ich ausgehe.«
»Wir waren bei Nicky und haben bis halb zehn gepokert«, gab der Riese von sich. Seine Stimme klang überraschend hoch für seinen gewaltigen Körper. »Danach sind wir im Astoria essen gewesen bis kurz vor elf. Und anschließend sind wir nach hier gefahren.«
»Ach ja, richtig. Der gute Dave. Er vergißt nie etwas.«
»Wer ist Nicky?« fragte ich.
»Nicky Roller. Auch ein guter Freund von mir. Er wird Ihnen bestimmt bestätigen, daß wir bei ihm gepokert haben. Sie brauchen ihn nur zu fragen. Er wohnt in der Macdougal Alley, knapp über dem Washington Square Park. Weißt du die Hausnummer, Davy?«
»Einunddreißig.«
»Einunddreißig, richtig. Der gute Davy. Er vergißt nichts.«
»Ich auch nicht, Mockton«, sagte ich gedehnt. »Und ich habe so ein Gefühl, als ob wir uns bald wieder begegnen würden.«
Er nickte ganz langsam.
»Ja, G-man. Wir sehen uns bestimmt wieder. Ganz bestimmt!«
***
»Warum sind Sie nicht gleich zu diesem Nicky Roller gefahren?« erkundigte sich Lieutenant Ambers.
»Es lag mir zu weit vom Wege ab«, erwiderte ich. »Außerdem ist das eine
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