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045 - Das verschwundene Volk

045 - Das verschwundene Volk

Titel: 045 - Das verschwundene Volk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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finden, dachte sie.
    Makejes Hand legte sich auf ihre Schulter. Aruula zuckte nicht zurück.
    »Ich weiß, dass es schwierig für dich sein muss«, sagte er, »aber vielleicht brauchst du nur etwas Zeit, um dich an deine Umgebung zu gewöhnen…« Er machte eine kurze Pause. »… um dich an mich zu gewöhnen.« Aruula sah auf.
    »Ich werde es versuchen«, log sie.
    ***
    »Corporal William Joseph Carson«, sagte Matt und legte den Marschbefehl des toten Soldaten zur Seite, »aus einem Kaff namens Godsent, Alabama. Wie haben dich wohl deine Freunde genannt? Billy… Billy Joe?«
    Die Augen des Soldaten starrten blicklos an ihm vorbei. Matt hatte ihn aus dem Gang bis zum Höhleneingang gezogen und an eine Wand gelehnt. Im Licht der untergehenden Sonne bemerkte er, dass die Hände des Soldaten nicht mehr als blutige, dreckverkrustete Klumpen waren, deren nagellose Finger fast alle gebrochen waren.
    »Und was hast du mit deinen Händen gemacht, Billy Joe? Hast du gegraben, und wenn, wonach?«
    Matt lehnte sich gegen einen Felsen und nahm das Notizbuch aus der Brusttasche seiner Uniform. Verärgert bemerkte er, dass seine Finger zitterten und es ihm schwer fiel, gerade Linien zu ziehen.
    »Du bist weit weg von zu Hause, Billy Joe, noch weiter als ich«, sagte er, während er sorgfältig die neu entdeckten Gänge und den Fundort der Leiche eintrug. »Bist wohl desertiert, richtig? Du hast Glück gehabt, dass man dich nicht gehängt hat…« Er lachte. »Okay, Glück ist vielleicht das falsche Wort, aber zumindest hattest du die Chance, einem Geheimnis auf die Spur zu kommen, auch wenn du sie nicht genutzt hast.«
    Matt steckte das Notizbuch wieder ein und trank einen Schluck Wasser. Ohne Besorgnis registrierte er, dass der Schlauch fast leer war.
    »Godsent, Alabama«, sagte er kopfschüttelnd.
    »Dort konntest du dich nie wieder sehen lassen, nicht nachdem du desertiert warst. Warum hast du es getan, Billy Joe? War es die Angst vor der Schlacht, das zermürbende Warten auf den Befehl zum Angriff? Weißt du überhaupt, wie der Krieg ausgegangen ist?«
    »Wenn du das Geheimnis suchst, solltest du graben«, sagte Billy Joe.
    Matt setzte sich mit einem Ruck auf. Das Notizbuch fiel aus seiner Hand auf den Boden. Der tote Soldat saß stumm neben ihm und war in der Dunkelheit kaum zu erkennen.
    Ich habe geschlafen, dachte Matt, vielleicht stundenlang. Wie viel Zeit habe ich wohl verloren?
    Auch wenn Billy Joe nur im Traum zu ihm gesprochen hatte, so war er sich doch sicher, dass sein Hinweis stimmte. Das Geheimnis des Pueblos war besser versteckt, als er vermutet hatte. Es lag nicht am Ende eines Gangs, sondern tief verborgen im Boden.
    »Ich muss graben«, sagte er und griff nach den Krücken. Er wollte sich aufrichten, aber seine Beine knickten unter ihm weg. Die Felsen verschwammen vor seinen Augen.
    »Nicht schlafen, ich will nicht schlafen«, murmelte er und kroch langsam in den Gang.
    ***
    Makeje räumte hastig einige Körbe mit getrockneten Kräutern beiseite und breitete ein Antilopenfell neben der Feuerstelle aus.
    »Bitte setz dich«, sagte er zu Aruula, die an der Leiter stehen geblieben war und sich neugierig umsah.
    Makeje versuchte seine Wohnhöhle durch die Augen einer Fremden zu betrachten. Die Felle, die auf dem Boden lagen, die bunt bemalten Krüge an den Wänden, die mit Türkisen verzierten Traumfänger und Adlerfedern, die von der Decke hingen - all das zeichnete ihn als einen wohlhabenden Mann aus. Er dachte an den Yiet'zu, den Aruula Maddrax nannte. Er schien nichts außer der Kleidung an seinem Körper zu besitzen, trug weder einen Speer noch einen Bogen bei sich und hinkte so stark, dass er eine Frau auf die Jagd schicken musste - eine Schmach, die kein Krieger seines Stamms ertragen hätte. Aruula musste große Geduld besitzen, wenn sie mit einem solchen Mann ihr Lager teilte.
    »Wieso verstehe ich eure Sprache?«, fragte sie, während sie sich auf das ausgebreitete Fell setzte. Makeje bewunderte ihre anmutigen Bewegungen.
    »Weil ich es so möchte«, sagte er und verzog das Gesicht, als er bemerkte, wie gönnerhaft seine Worte klangen. »Es ist ein Zauber, der mein Wissen in deinen Geist bringt.«
    »Könntest du mir mit diesem Zauber auch mehr über dein Volk und das Sipapu erklären?«
    Die Frage klang unschuldig, aber Makeje war sich nicht sicher, ob sie auch so gemeint war. Er hatte lange mit Aruula auf dem Plateau gesprochen, war mit ihr durch die Felder spaziert und hatte sie auf dem Rückweg

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