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045 - Das verschwundene Volk

045 - Das verschwundene Volk

Titel: 045 - Das verschwundene Volk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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tut. Vielleicht steht er sogar unter ihrem Bann.«
    »Unsinn!« Delketh musste schreien, um sich über die aufgeregten Stimmen Gehör zu verschaffen. »Makeje hat vielleicht nicht die Weisheit unserer Jahre, aber er ist der Sipapu- Tleku und vereinigt unsere Kräfte. Niemand kann einen Bann auf ihn legen.«
    Nukome, der Zweitälteste Mann in der Runde, hob die Hand. Schlagartig wurde es still. Jeder wüsste, dass er nur selten sprach, aber wenn er es tat, waren seine Worte weise.
    »Die Fremde muss gehen«, sagte er, »egal ob sie ein Yiet'zu ist oder nicht. Sie hat Unfrieden in das Dorf gebracht. Die Tochter lehnt sich gegen den Vater auf, der Sipapu-Tleku vergisst das Wohl des Volkes. Erst wenn sie geht, wird Ruhe einkehren.«
    Die anderen nickten, sogar Jekulah widersprach ihm nicht.
    Sie sind einer Meinung, dachte Delketh.
    Theoretisch musste er auf ihre Wünsche nicht eingehen und konnte seine eigene Entscheidung treffen, aber ein Häuptling, der sich gegen den Ältestenrat stellte, wurde schnell abgesetzt. Sie waren die wahre Macht des Dorfes.
    Delketh stand auf. »Ich akzeptiere eure Entscheidung«, sagte er. »Noch vor dem ersten Mahl werde ich zu Makeje gehen und ihm befehlen, die Fremde in die vierte Welt zurückzuschicken. Er wird mir gehorchen, so wie es seine Pflicht ist.«
    Die alten Männer nickten beifällig. Nur Jekulahs Blick zeigte Skepsis.
    »Man sollte nur befehlen, wenn man sicher ist, dass der Befehl befolgt wird. Sonst verliert man sein Gesicht.«
    Hätte der Alte Coyote doch nur deine Zunge gestohlen und nicht deine Kraft, dachte Delketh, während er zur Leiter ging. Dann ginge es uns allen besser.
    Aber er sagte nichts, denn im Innersten wusste er, dass Jekulah Recht hatte. Wenn Makeje sich weigerte, seinem Befehl zu gehorchen, gab es nichts, was er dagegen tun konnte - außer zu töten.
    ***
    An diesem Morgen gab es für Aruula keine Arbeit. Es gab auch keine Tritte oder Beleidigungen, als sie erschöpft von der nächtlichen Anstrengung aus ihrer Höhle kletterte und auf die Ebene trat.
    Eigentlich hatte sie auf einen günstigen Moment warten wollen, um unauffällig in den Gängen nach Maddrax zu suchen, aber dieser Moment würde nicht kommen, so viel war- Aruula nach einem Blick klar. Die Menschen wichen vor ihr zurück, tuschelten untereinander und starrten sie misstrauisch an. Sie konnte keinen Schritt gehen, ohne beobachtet zu werden. Anscheinend hatte einer der Krieger, denen sie in der Nacht begegnet war, die Anweisung, nichts davon zu erzählen, nicht sonderlich ernst genommen. Mittlerweile wusste wohl der ganze Stamm, dass sie nicht mehr unter Makejes Bann stand.
    Wenigstens muss ich jetzt nicht mehr so tun, dachte sie mit erzwungenem Optimismus.
    Ihr Blick glitt automatisch zum Höhleneingang. Irgendwo hinter dem dunklen Loch befand sich Maddrax, halb verhungert und dem Wahnsinn ausgeliefert. Sie wollte zu ihm, wollte erneut versuchen, ihn aus dem Labyrinth, das sein Verstand ihm vorgaukelte, hinaus zu führen, aber sie wusste, dass es keinen Sinn hatte. Ihre Kraft war zu gering, um ihn lange vor dem Bann zu schützen, und er selbst war kaum noch in der Lage, den Weg nach unten zu überwinden.
    Aruula sah sich nach Eri um, entdeckte sie jedoch nicht. Kurz überlegte sie, zu den Feldern zu gehen und dort nach ihr zu suchen, doch dann entschied sie sich dagegen. Es war nicht gut, wenn sie zusammen gesehen wurden, vor allem nicht, wenn Makeje in der Nähe war.
    Wie auf ein Stichwort trat der Schamane aus einer Höhle auf die Ebene. Er trug wieder das Tiergeweih, mit dem sie ihn beim ersten Mal gesehen hatte, und eine lange, bunt bestickte Decke. Anscheinend wusste er bereits, dass Aruula aufgeflogen war, denn er nahm den Anblick der feindlich verängstigten Menschen ohne sichtliche Überraschung hin.
    Stattdessen ging er auf Aruula zu und nahm die Decke von den Schultern. Sie erschrak, als die langen blutigen Striemen sah, die sich über seinen nackten Körper zogen.
    »Was ist passiert?«, flüsterte sie.
    »Mach dir keine Sorgen. Bald wird niemand dir etwas anhaben können.« Er wandte sich ab, und bevor Aruula reagieren konnte, rief er:
    »Hört mir zu! Kommt alle her!«
    Die Menschen sahen sich an, zögerten, legten dann aber doch ihre Arbeitsutensilien zur Seite und näherten sich ihm.
    »Seit dem gestrigen Abend«, fuhr er fort, »habe ich in der Höhle der Geister verharrt.«
    Ein Raunen ging durch die Menge. Aruula hatte den Eindruck, dass man die Höhle der Geister nur ungern

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