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045 - Das verschwundene Volk

045 - Das verschwundene Volk

Titel: 045 - Das verschwundene Volk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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betrat.
    Makeje drehte sich, um allen die Striemen auf seinern Körper zu zeigen. »Ich habe Reinigung im Schmerz gesucht, Erlösung im Leid und Freude in der Trauer. Als ich glaubte, mein Geist müsse sich auflösen, erschien mir der Adler im Feuer.«
    »Der Adler?«, rief eine alte Frau. »Selbst deinem Vater ist der Adler nie erschienen.«
    Makeje nickte. »Das ist wahr, aber mein Vater hat auch nie eine Krise wie diese erlebt. Der Adler sah mich lange an, blickte in die tiefsten Winkel meiner Seele und sprach zu mir.«
    »Was hat er gesagt?«
    Aruula konnte nicht sehen, wer den Satz gerufen hatte. Makeje machte eine Pause, dann sagte er: »Der Adler sprach von dem Yiet'zu, den die Fremde Maddrax nennt.«
    Sie zuckte zusammen, als sie seinen Namen hörte.
    »Der Adler sagte, Maddrax sei der Letzte der Yiet'zu. Der Schwarze Gott hat Mitleid mit ihm und wird seinen geläuterten Geist befreien, wenn die Zeit reif ist.«
    Was soll das heißen?, wollte Aruula fragen, hielt sich jedoch im letzten Moment zurück.
    »Der Fluch der Yiet'zu«, sagte Makeje, »ist von uns genommen. Sie sind besiegt.« Er wandte sich an Aruula. »Der Adler nannte auch deinen Namen und bat mich, etwas zu tun, damit die Geister der vierten Welt auf ewig in Freundschaft mit denen der fünften Welt verbunden sind.«
    Mit einer schwungvollen Geste hob er die Decke und legte sie Aruula um die Schultern. Die Menge wurde plötzlich ruhig. Nur das Bellen einiger Hunde unterbrach die Stille.
    »Was ist los?«, flüsterte Aruula.
    Makeje lächelte. »Jetzt bist du meine Frau.«
    »Was?!«
    ***
    Delketh sah, wie Makeje der Fremden die Decke umlegte, und wandte sich ab.
    Der Alte Coyote treibt mit uns seine Scherze, dachte er, nur darüber lachen kann ich nicht.
    Mit seiner Aktion war Makeje ihm zuvor gekommen. Er schien geahnt zu haben, dass Delketh ihn nicht mehr lange schützen konnte, und hatte die Fremde deshalb zur Frau genommen. Vor dem Gesetz galt sie jetzt als Stammesmitglied. Man konnte sie nicht mehr ohne guten Grund verstoßen.
    Delketh fragte sich, ob der Adler Makeje wirklich erschienen war. Es gab keine Möglichkeit, das zu überprüfen, ohne sich selbst der Höhle der Geister auszusetzen, doch das wollte er niemandem zumuten.
    Eigentlich war das auch Unerheblich, denn egal, was der Adler gesagt hatte, die Verantwortung über das Dorf lag beim Häuptling und dem Ältestenrat. Letzterer hatte seine Position bereits deutlich gemacht, und Delketh bezweifelte, dass die angeblichen Worte des Adlers etwas daran ändern würden. Auch wenn Aruula vor dem Gesetz nun zu ihnen gehörte, sie würde immer eine Fremde bleiben, eine ständige Erinnerung an die Flucht aus der vierten Welt.
    Delketh ging langsam auf die Felder zu. Er sah die unausgesprochenen Fragen auf den Gesichtern der Männer und Frauen, die ihm begegneten, aber er hielt nicht an, um mit ihnen zu sprechen. Es gab nichts, was er ihnen sagen konnte.
    Makeje hatte das ganze Dorf in eine unangenehme Position gebracht. Delketh konnte die Entscheidung des Ältestenrats nicht öffentlich bekannt geben, ohne einen Konflikt mit den Anhängern der göttlichen Entscheidung zu riskieren. Gleichzeitig wollte er jedoch nicht tatenlos zusehen, wie seine Autorität durch die Worte eines Schamanen untergraben wurde.
    Makeje, dachte er. Du musst noch viel über Macht und ihren Gebrauch lernen.
    Heute hast du einen Fehler begangen, den du bereuen wirst - sehr lange bereuen wirst.
    Delketh winkte der Person zu, nach der er gesucht hatte, und wartete, bis sie aus dem Mais zu ihm gekommen war.
    »Eri«, sagte er streng. »Ich muss mit dir reden.«
    ***
    »Ich werde nicht mit dir schlafen!« Aruula spie Makeje die Worte förmlich entgegen und bereute sie im gleichen Moment. Er hatte ihr mit seiner Tat vielleicht das Leben gerettet, auch wenn er damit einen gewissen Eigennutz verband. »Ich meine, nicht jetzt«, fügte sie lahm hinzu.
    Makeje stand von der Decke auf, die er für sie beide in seiner Höhle ausgebreitet hatte.
    »Es war keine Lüge«, sagte er. »Der Adler ist mir erschienen uns hat genau die Worte gesprochen, die ich weitergegeben habe. Der Yiet'zu Maddrax wird befreit werden, wenn die Zeit reif ist.«
    »Und wenn er stirbt, bevor die Zeit reif ist?«
    »Vielleicht muss er sterben, um befreit zu werden. Darüber entscheidet der Schwarze Gott.«
    Aruula presste die Lippen aufeinander und schwieg. Sie glaubte ebenfalls, dass Maddrax' Schicksal in der Hand der Götter lag, aber das Gespräch, das

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