045 - Das verschwundene Volk
Yiet'zu aus ihren Legenden waren, der Stamm schien sie zu fürchten. Aruula ahnte, dass man sie töten würde, wenn die Angst zu groß wurde.
»Lasst Makeje schlafen«, sagte eine Frauenstimme am Rand des Plateaus. »Vater wünscht, dass ich mich um die Fremde kümmere.«
Die Speerspitze verschwand von Aruulas Hals. Sie drehte den Kopf und sah eine Frau auf sie zukommen, die ihr bekannt vorkam.
O nein, dachte sie nach einem Moment. Eri…
Die Krieger traten einen Schritt zur Seite.
»Dein Vater wünscht doch sicher, dass wir dich und die Fremde zu ihm bringen«, sagte Narbengesicht. »Ihr Geist ist frei und sie steht unter keinem Bann mehr.«
Aruula sitzte sich auf. Eri blieb neben ihr stehen und betrachtete sie abschätzend.
»Nein«, sagte sie. »Sie ist nicht gefährlich. Geht und erzählt niemandem, was hier geschehen ist.«
Narbengesicht hob die Schultern. »Also gut, wenn der Häuptling seine Tochter schickt, kann die Lage wirklich nicht bedrohlich sein. Wir werden gehen.«
Ein anderer Krieger lachte leise, dann zogen sie sich zurück.
Aruula kam auf die Füße und wartete, bis sie über eine Leiter verschwunden waren.
»Warum hast du das getan?«, wandte sich an Eri. »Ein Befehl von dir und sie hätten mich getötet.«
»Und dann? Makeje glaubt, dass du ihn eines Tages lieben wirst. Hätte ich dich getötet, würde er mich vielleicht ein Leben lang hassen.« Eri sah sie an. »Ich will, dass du gehst oder dass dein Geliebter aus der anderen Welt an diesen Ort kommt. Erst wenn Makeje begreift, dass du ihn nicht liebst, wird er frei für mich sein. Deshalb werde ich dir helfen.«
Das ist keine Lüge, dachte Aruula. Sie ist ebenso verzweifelt wie ich.
»Ich habe versucht, Maddrax in unsere Welt zu holen«, sagte sie mit der gleichen Ehrlichkeit, »aber ich bin zu schwach. Ich kann nur Gegenstände bewegen.«
Eri nickte. »Makeje brauchte die Kraft des ganzes Stammes, um dich überwechseln zu lassen, und selbst so ist es ihm nicht vollständig gelungen. Ein Teil von dir ist immer noch mit deiner Welt verwachsen, sonst könntest du Maddrax nicht sehen.« Sie machte eine Pause, als müsse sie über etwas nachdenken. »Willst du mit ihm sprechen?«, fragte sie unvermittelt.
Aruula spürte, wie ihr Herzschlag sich beschleunigte. »Ist das möglich?«
»Wenn er im Dämmerzustand zwischen Wachen und Schlafen ist, kannst du es versuchen. Dann ist der Übergang am leichtesten. Vielleicht gelingt es dir sogar, den Nebel um seinen Geist zu lüften. Komm, ich zeige dir einen Schleichweg nach unten, damit dich niemand sieht.«
Aruula ließ sich mitziehen. Ein Teil von ihr warnte, dass Eris Hilfsbereitschaft einen Preis haben müsse, aber sie dachte nicht darüber nach.
***
Matt drehte sich erschöpft auf den Rücken und starrte an die Decke. »Hier ist nichts«, sagte er. »Ich muss mich bei den Berechnungen geirrt haben.«
Billy Joe unterbrach seinen Gesang und lachte. »Ich hab dir doch gesagt, dass du an der falschen Stelle gräbst. Weiter hinten musst du es versuchen, viel weiter hinten.«
»Ja, ja«, murmelte Matt, »du sagst immer, viel weiter hinten, dabei hast du keine Ahnung, du verdammter Redneck… du…«
Seine Augen schlossen sich, ohne dass er etwas dagegen tun konnte.
»Hey, bleib wach«, hörte er Billy Joes Stimme aus weiter Ferne. »Du hast eine Aufgabe zu erledigen, Soldat.«
Matt wollte ihm antworten, aber seine Zunge war schwer und seine Gedanken zerfielen, bevor er sie aussprechen konnte.
Nur ein paar Minuten, dachte er. Ein wenig Schlaf… MADDRAX!
Matt zuckte zusammen.
MADDRAX!
Er öffnete die Augen und setzte sich auf.
»Aruula?«
Eine Welle aus Schmerz, Hunger und Erschöpfung schoss durch seinen Körper, so unerträglich, dass er beinahe das Bewusstsein verlor. Er warf einen Blick auf seine geschwollene blutige Hand, sah sich auf den Holzpflock einschlagen und fragte sich für einen Moment, weshalb er etwas so ungeheuer Dummes getan hatte.
»Aruula, wo bist du?«
Ich kann es dir nicht erklären, dafür fehlt die Zeit.
Matt bemerkte, dass er ihre Stimme nur in seinem Kopf hörte.
Du musst raus aus diesem Pueblo, Maddrax. Es zerstört deinen Geist. Es zwingt dich Dinge zu tun, die keinen Sinn machen.
»Kein Scheiß…« , sagte er mit einem Blick auf eine fast einen Meter tiefe Grube, die er ausgehoben haben musste.
Geh raus, Maddrax, bitte, sonst wirst du sterben!
Die Panik in ihrer Stimme rüttelte ihn endgültig auf. Schwerfällig kam er hoch, stützte sich an
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