045 - Die Blut GmbH
durch die Menge boxte, mußte ich erkennen, daß ich die Spur des Mädchens abermals verloren hatte. Einen Augenblick sah ich mich suchend um, dann resignierte ich. Na ja, mit ein wenig Glück konnte ich vielleicht in der Tasche Hinweise finden.
Ich hatte gerade zu kramen begonnen, als die alte Dame vorbeikam. Sie warf mir einen giftigen Blick zu, sicher hielt sie mich für jemanden, der eine Damenhandtasche aus einer Telefonzelle entwendet hatte und sie nun plünderte. Außerdem begann sie, sich umzusehen, ob sie Hilfe und Unterstützung bekommen könnte. Als sie sich daranmachte, einen hageren älteren Mann aufzuhalten, sah ich ein, daß es Schwierigkeiten geben würde. Ich konnte die Tasche ebenso gut in meinem Büro untersuchen. Und es war nicht ausgeschlossen, daß auch das Mädchen dort auftauchte. Schließlich hatte sie mich zu erreichen versucht.
Ein angenehmer Gedanke! Was mochte sie nur so entsetzt haben? Mit einigem Glück würde ich es früh genug herausfinden. Ein Ausweis war in der Tasche, das hatte ich bereits gesehen.
Durch die Lappen würde sie mir keinesfalls mehr gehen.
Eine Viertelstunde später traf ich in meinem Büro ein, in dem ich Chef, Sekretärin, Gehilfe und Putzfrau in einer Person war. Gewohnheitsmäßig schloß ich hinter mir ab. Früher war ich zugänglicher gewesen, aber das hatte mir ein paar unliebsame Überraschungen eingebracht – als Detektiv ist man nicht jedermanns Freund. Dann überprüfte ich routinemäßig das Hinterzimmer und den Balkon. Beruhigt kehrte ich in den Arbeitsraum zurück, ließ mich in den Drehstuhl hinter dem Schreibtisch fallen und sortierte den Tascheninhalt.
Ein Dieb wäre enttäuscht gewesen. Sie trug nichts Wertvolles bei sich. Etwas Kleingeld, einen Zwanzigmarkschein, einen Ring, der täuschend echt aussah. Dann waren da Taschentücher, benutzte und ungebrauchte, ein kleiner Bär, an dem Schlüssel hingen, eine halbe Tafel Schokolade, von der ich ohne Bedenken abbiss, und ein kleines Plastiketui, das einen Führerschein auf den Namen Barbara Rothenberg und einen Personalausweis, auf den gleichen Namen lautend, enthielt. Zwischen beiden lag eine kleine, Karte, auf der nur eine Telefonnummer stand – meine Nummer.
Ich betrachtete die Passbilder. Es waren nicht die neuesten, aber die des Mädchens jedenfalls. Die leise Befürchtung, die ich noch gehegt hatte, die Tasche könnte schon vor dem Mädchen in der Telefonzelle gelegen haben, schwand damit endgültig. Ich ging zum Aktenschrank. Irgendwie kam mir der Name Rothenberg bekannt vor. Tatsächlich fand ich Unterlagen über Walter Rothenberg, einen Großindustriellen, dem die Farbchemiewerke in Zellstadt gehörten. Ich erinnerte mich auch gleich wieder an den Fall. Es ging um Werkspionage. Ich hatte hier auch die Namen seiner beiden Töchter notiert. Sonja vierzehn Jahre alt, und Barbara achtzehn. Das war vor vier Jahren gewesen. Ich hatte die Mädchen nie persönlich kennengelernt.
Aber es sah so aus, als hätte ich meinen Fisch gefunden. Sie mochte die Nummer aus dem Notizbuch ihres Vaters haben. Die Nummer stand nämlich nicht im Telefonbuch. Die offizielle Nummer der Detektei Panorama erreichte mich nicht direkt, sondern nur einen automatischen Anrufbeantworter in einem gemieteten Kellerraum. Ich war wirklich vorsichtig geworden. Zwei Kugeln im Bein hatten das bewirkt und ständige telefonische Drohungen. Es war ja nicht der Einschüchterungseffekt, man kriegt ja auch keine Aufträge, wenn ständig einer an der Strippe hängt, der sein Geld und meine Zeit mit Morddrohungen verplempert. Jedenfalls hatte ich daraufhin diese befriedigende Lösung gefunden und mein Büro gewechselt.
Ich notierte die Adresse und Telefonnummer der Rothenbergschen Villa und griff zum Telefon, das im selben Augenblick läutete.
Ich hob ab.
„Herr Fuchs? Herr Harald Fuchs, der Detektiv?“ fragte eine Mädchenstimme.
„Wer sind Sie?“ stellte ich die Gegenfrage. War sie es? Schwer zu sagen. Ich hatte ihre Stimme nur einmal kurz gehört, und da war sie von Angst verzerrt.
„Ich bin Barbara Rothenberg“, erwiderte sie, offenbar ein wenig atemlos. „Sie haben schon einmal für meinen Vater gearbeitet. Erinnern Sie sich? Ich brauche Ihre Hilfe, bitte!“ Es klang sehr eindringlich.
„Wo sind Sie jetzt?“
„Am Rathausplatz, in der Telefonzelle an der Trambahnstation.“
„Gut“, sagte ich, „gehen Sie die Rosenstraße entlang, bis Sie den Richtplatz erreichen. Dort warten Sie auf mich.“
„Aber ich
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