045 - Die Blut GmbH
augenscheinlich hocherfreut darüber, daß ich mich so schnell meldete. Ich machte einen Termin für den nächsten Tag mit ihr aus, notierte mir ihren Namen und ihre Adresse. Dann verließ ich das Haus durch den Hintereingang. Ein Blick in die Querstraße des Vordereinganges zeigte mir, daß ich recht getan hatte. Am gegenüberliegenden Gehsteig stand ein Typ mit Hut und Lodenmantel, das verbitterte Auge starr auf das Haustor gerichtet.
Freddie Morton!
Grinsend stieg ich in den Bus. Solange er seine Zeit damit vertrödelte, hier auf mich zu lauern, stellte er wenigstens sonst nichts an. Die meisten dieser Burschen sind schneller wieder im Knast als sie glauben.
Dr. Fellner war bereits da, als ich sein Haus erreichte. Er sah müde und abgespannt aus, aber er war interessiert. Er war ein knapper Vierziger, groß und hager, mit forschenden Augen, durchdringend und gleichzeitig beschwichtigend. Der gutmütige Zug in seinem knochigen Gesicht war es wohl, der die Leute dazu brachte, ihm ihr Herz auszuschütten.
„Hallo, Harry“, begrüßte er mich. „Ich habe vor ein paar Minuten erfahren, daß Sie mich für den heutigen Abend eingespannt haben.“
„Sie hat also bereits angerufen“, stellte ich fest.
„Sie?“ sagte er. „Nein, die Stimme klang zwar ein wenig schrill vor Anspannung, aber sie war unleugbar männlich. Ein Herr Rothenberg versicherte mir, daß es ihn freue, uns heute um halb acht bei sich begrüßen zu dürfen.“
„Sie hat es ihm also bereits gesagt“, murmelte ich anerkennend.
„Oh“, meinte Dr. Fellner. „Jetzt verstehe ich.“ Und warnend fügte er hinzu: „Ich hatte allerdings nicht den Eindruck, daß der alte Rothenberg zu irgendwelchen Zusagen bereit wäre. Er wirkte eher abweisend, trotz der Einladung. Aber wenn Sie mich fragen, Harry, dann hat er mit seinen Töchtern längst eigene Pläne, ob ihnen das nun paßt oder nicht …“
Er brach ab, als er mein verständnisloses Gesicht sah. Aber dann dämmerte mir, was er meinte, und ich klärte ihn lachend auf, daß ich nicht die Absicht hatte, zu heiraten.
Da nicht mehr viel Zeit blieb, gab ich ihm nur die nötigsten Erklärungen, und verschob alle Fragen auf später.
Wir erreichten die Rothenbergvilla pünktlich. Die Haushälterin empfing uns freundlich, Herr Rothenberg desgleichen, ebenso Sonja. Barbara stellte uns, ein wenig blaß aber erleichtert, vor – mich als einen guten Freund, und Dr. Fellner als einen guten Freund von mir. Hastig flüsterte sie mir zu, daß wir uns duzen sollten. Mir war nicht klar, wer wen. Ich sah, daß sie auch Dr. Fellner etwas zuflüsterte. Ihre Schwester schien keinen Verdacht zu schöpfen.
Sie war ein hübsches Mädchen, wenn auch nicht mit Barbara vergleichbar. Rötlichblond und langhaarig, mit einem üppigen Busen und gut gepolsterten Kurven. Nicht etwa, daß sie dicklich gewesen wäre, nur eben robust – und dieser Statur verdankte sie es wohl, daß sie noch lebte, nach allem, was sie durchgemacht hatte. Ihre Gesichtsfarbe war noch immer ein wenig blaß, aber das hatte nichts mit ihrer Gemütsverfassung zu tun. Sie war guter Laune und offenbar ohne Beschwerden. Ich hoffte, daß sie die Neugier und Spannung, die ich allzu deutlich in den Gesichtern der übrigen entdeckte, nicht stutzig machten.
Dr. Fellner befaßte sich intensiv mit Sonja, die sich geschmeichelt fühlte. Er hatte eine magische Art, Menschen in kurzer Zeit für sich zu gewinnen, bis sie immer mehr das Bedürfnis verspürten, sich anzuvertrauen.
Bald erlosch unsere Unterhaltung. Wir hörten alle aufmerksam den beiden zu, deren Gespräch nun auf das schreckliche Erlebnis des Mädchens eingependelt war. Sie berichtete mit recht lebendigen Worten, aber es war nichts Neues dabei, nichts, das ich nicht schon von Barbara gehört hatte.
Dr. Fellner ging behutsam vor. Sie beantwortete bereitwillig seine Fragen. Aber ich sah an Barbaras Miene, daß nichts Neues dabei herauskam.
Plötzlich geschah das, worauf ich selbst schon beinahe vergessen hatte. Es ging schlagartig vor sich, mitten im Satz.
Sie sagte: „Hat Ihnen Barbara schon von den seltsamen drei Tagen erzählt, an die ich mich nicht …“
Es hörte auf, als schnitte man ein Band ab. Sie sah ins Leere, und was sie wahrnahm, gehörte offenbar einer anderen Welt an. Irgendwie war es gespenstisch.
„Das ist doch nicht …“, hörte ich Herrn Rothenberg sagen. Es lag ein schriller Ton in seiner Stimme.
„Ja, Vater“, stieß Barbara hervor, „jetzt ist es
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