045 - Die Blut GmbH
die Polizei verständigt?“
„Natürlich. Vater tat es sofort, als sie am ersten Tag nicht nach Hause kam. Aber sie fanden sie erst am vierten Tag. Sie lag halbtot im Stadtpark …“
„Vergewaltigt?“ warf ich ein.
„Nein, wenigstens nicht, wie Sie es meinen. Aber Gewalt hatte man ihr angetan. Irgendein Wahnsinniger muß sie angefallen haben, denn sie hatte Bisswunden. Es stand in der Zeitung!“
Ich überging diesen Hinweis. Dieser Fall mußte mir offenbar entgangen sein, während ich mit der Westermayer-Affäre beschäftigt gewesen war. Aber ich erinnerte mich trotzdem dunkel an irgend etwas, das mit Beißen zusammenhängen mußte.
„Das hört sich beinahe an wie ein Gruselroman“, bemerkte ich taktlos.
Sie überhörte meine Bemerkung. „Sie hatte viel Blut verloren“, fuhr sie fort. „Nur der rasche Transport ins Krankenhaus hat sie gerettet.“
„Was haben die Ärzte festgestellt?“ fragte ich, als sie schwieg.
„Nicht viel mehr als die Polizei – zuerst wenigstens. Aber dann tauchten ein paar weitere Opfer, dieses …“ In Ermangelung des rechten Ausdrucks brach sie verlegen ab. „Zwei Männer und eine Frau. Wahrscheinlich sogar mehr. Sie alle hatten ‚Bisswunden, und zwar wesentlich stärkere als meine Schwester. Dennoch war bei ihnen der Blutverlust bei weitem nicht so hoch. Die Ärzte sahen sich das dann genauer an und stellten einen fast verheilten Einstich am Oberarm meiner Schwester fest. Und sie kamen zu der einhelligen Meinung, der größte Teil des Blutes sei ihr abgezapft worden …“
„Abgezapft?“ entfuhr es mir.
„Ja, wie beim Blutspenden, direkt aus den Venen.“
„Vielleicht hat sie Blut gespendet“, meinte ich. „Das erklärt natürlich nicht, warum sie alles vergessen hat, aber es wäre die einfachste Lösung.“
„Seien Sie nicht albern“, erwiderte sie aufgebracht. „Woher kämen dann die Bisse?“
„Das eine muß mit dem anderen nichts zu tun haben“, wandte ich ein. „Die Sache mit dem Einstich und dem Vergessen mochte Stunden vorher geschehen sein. Auf dem Heimweg war sie dann vielleicht von diesem bißwütigen Irren angefallen worden. Er fiel ja andere Leute auch an, wie Sie mir sagten. Oder hat man bei denen auch Einstiche gefunden, oder Gedächtnisverlust festgestellt?“
Sie schüttelte verneinend den Kopf. „Meine Schwester ist viel zu feige, um freiwillig Blut zu spenden. Das scheidet aus“, sagte sie bestimmt.
„Also gut, lassen wir das einmal beiseite. Was wollen Sie von mir?“
Sie sah mich erstaunt an. „Wollen nicht alle das gleiche von Ihnen … .?“
„Ich bin keine Frau, sondern Detektiv“, widersprach ich. Das hätte ich besser nicht gesagt. Sie erhob sich verärgert.
„Nun seien Sie nicht gleich ein geschnappt“, sagte ich rasch. „Hat Ihr Vater Sie geschickt?“
Ihr Ärger schwand wieder. „Nein, er weiß nichts davon, daß ich hier bin.“
„Aber meinen Namen haben Sie aus seiner Kartei?“
Sie nickte.
„Dann sind Sie also mein Auftraggeber, Fräulein Rothenberg?“ „Ja.“
„Gut, also zum Geschäftlichen. Wir könnten zusammen Essen gehen. Ich nehme meine Aufträge gern bei Steaks entgegen. Wollen Sie?“
Sie lachte. „Einverstanden. Es ist nur recht und billig. Der Schreck, den Sie mir heute bereits mehrmals eingejagt haben, hat mich recht hungrig gemacht. Ich hoffe, Sie können sich meinen Hunger leisten.“ „Alles Spesen“, erklärte ich lächelnd.
Tatsächlich schien bei ihr Furcht etwas mit dem Magen zu tun zu haben, denn sie aß zwei ordentliche Steaks samt umfangreichen Beilagen. Danach behauptete sie, sie würde jeden Augenblick platzen. Das tat sie zwar nicht, aber deutlich hatte ihre Sattheit den Ausdruck von Furcht in ihren Augen verdrängt.
Sie wirkte gelöster. Sie ging aus sich heraus. Sie gestand sogar, daß Essen sie enthemmte – manchmal. Wann das nun genau war, und wie weit das ging, erfuhr ich nicht, dafür aber weitere Einzelheiten über meinen Auftrag.
„Es geht darum, daß Sie Sonja überwachen“, erklärte sie. „Sie hat sich zwar recht gut erholt, aber etwas stimmt mit ihr nicht. Sie …“ Mit einer hilflosen Geste brach sie ab. „Es gibt Augenblicke, da ist sie völlig abwesend. Da weiß sie nicht, was sie tut. Sie tut auch nichts. Sie sitzt nur einfach da und starrt ins Leere. Aber ich werde das Gefühl nicht los, daß sie nur auf etwas wartet. Auf irgendeinen Impuls. Ich … ich habe Angst um sie. Ich glaube, daß sie wieder dorthin gehen wird, wo sie
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