045 - Die Blut GmbH
schon einmal war, und daß man wieder so schreckliche Dinge mit ihr macht. Vater versteht es nicht. Er glaubt, daß sie krank ist, aber …“
„Woraus schließen Sie das alles?“ warf ich ein.
„Ich folgere nicht, ich fühle es“, meinte sie. „Ich kann es nicht beweisen oder begründen.“ Sie zuckte hilflos mit den Schultern. „Es ist nur – ich war immer mit ihr zusammen, seit sie damals zurückkam, und ich werde das Gefühl nicht los, daß das noch nicht alles war.“ Sie sah mich mit einem unsicheren Lächeln an.
Ich ertappte mich dabei, wie ich nickte, als wäre mir das alles sonnenklar. Dabei hatte ich auch ein Gefühl, daß ich nämlich dabei war, mich auf einen verrückten Auftrag einzulassen. Andererseits war ein Mädchen wie Barbara Rothenberg noch eine Reihe ganz anderer Verrücktheiten wert.
„Ich soll sie also überwachen?“
„Ja, Herr Fuchs …“ Sie bemerkte offenbar meine Unentschlossenheit, denn sie fügte rasch hinzu: „Ich weiß natürlich, daß Sie auch andere Aufträge haben und daß Sie nicht die ganze Zeit über verfügbar sind. So war es auch nicht gemeint. Ich kann meine Schwester sehr gut selbst überwachen, bis der Augenblick kommt, wo sie …“ Sie stockte und umschloß das Glas so fest mit ihrer Hand, daß ich fürchtete, sie würde es zerbrechen. „Wenn ich nur wüßte, was ich fürchte“, ergänzte sie leise.
„Das werden wir herausfinden“, sagte ich beruhigend. „Wo befindet sich Ihre Schwester jetzt? In der Villa Ihrer Eltern, Prager Allee?“
„Ja.“
„Und wer paßt auf sie auf, wenn Sie weggehen?“
„Die Haushälterin.“
„Frau Bartisch, wenn ich mich recht erinnere. Oder haben Sie inzwischen eine neue?“
„Nein, es ist noch immer Frau Bartisch. Ich kann mich auf sie verlassen.“
„Was weiß sie?“
„Nicht viel. Daß Sonja krank war, natürlich. Auch das mit den Bissen. Sie hat sie gesehen an dem Abend, als meine Schwester nach Hause gebracht wurde. Sonst nichts, ich meine, nichts von meinen Befürchtungen. Aber sie hat versprochen, sie während meiner Abwesenheit nicht aus dem Haus zu lassen.“
Ich nickte gedankenverloren. So wie ich diese robuste Frau in Erinnerung hatte, konnte ich beruhigt sein. „Wie denkt Ihre Schwester darüber?“
Ein wenig resigniert antwortete sie: „Sie weiß ja nicht, was vor dem Überfall geschehen ist. Sie weiß nicht, wohin sie gehen wollte, oder was sie in, diesen drei Tagen getan hat, in denen sie verschwunden war. Sie erinnert sich nur, daß sie auf dem Nachhauseweg war, als der Kerl sie anfiel.“
„Und diese Momente der totalen Abwesenheit, wie Sie es nannten“, unterbrach ich sie, „wie denkt sie darüber?“
„Sie merkt es nicht. Wenn sie zu sich kommt, klagt sie meist über Kopfschmerzen, aber die vergehen rasch.“
„Wie lange dauert dieser Zustand?“
„Oh, nicht sehr lange. Eine Viertelstunde, zwanzig Minuten, nicht viel länger.“
„Was tut sie dabei?“ fragte ich interessiert.
„Nichts. Sie sitzt nur einfach da und wartet. Gestern habe ich versucht, sie anzusprechen. Sie reagiert, wenn man ausdauernd genug ist. Aber sie reagiert nicht bewußt. Wenn man tief in Gedanken ist und schlägt abwesend nach einer lästigen Fliege – so etwa ist das. Als sie später aufwachte, war sie höchst erstaunt, mich im Zimmer zu sehen. Sie konnte sich nicht erinnern, daß ich hereingekommen war. Und das gab ihr ein wenig zu denken.“
„Haben Sie ihr etwas gesagt?“
„Nein, natürlich nicht. Sie hätte nur Angst, und das würde alles verschlimmern.“
Nachdenklich sah ich sie an. „Wie oft hat sie diese Trancezustände?“
„Einmal am Tag. Meist …“ Sie hielt inne. „Nein, nicht meist, immer am Abend. Kurz nach acht. Es fällt mir erst jetzt auf, wie regelmäßig es eintrat …“ Sie schüttelte verwundert den Kopf.
„Haben Sie noch nicht daran gedacht, einen Arzt zu Rate zu ziehen?“
„Nein“, erklärte sie schuldbewußt. „Ich wollte sie nicht beunruhigen. Außerdem, was hätte ich dem Arzt sagen sollen?“
Ich überdachte das Ganze. Da war schon einiges seltsam, wenn man auch den Finger noch nicht drauflegen konnte. Ich brauchte mehr Informationen, aber vermutlich solche, die mir das Mädchen nicht geben konnte.
„Hören Sie, Barbara – darf ich Sie Barbara nennen?“
Sie sah mich ein wenig verwirrt an, daß mir ganz warm ums Herz wurde. „Ja, natürlich“, antwortete sie dann rasch.
„Fein“, sagte ich dankend. „Ich nehme an, Ihre Schwester wird sich
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