045 - Schizophrenia - Nächte des Wahnsinns
zu tasten. Ließ er sich vielleicht bewegen? Gab es in
dieser Wand einen geheimen Mechanismus ähnlich dem, der die Mauer hinter dem
Treppenaufgang in Bewegung gesetzt hatte?
Die
schwarze Gestalt wuchs lautlos wie ein Schatten und blitzschnell hinter ihm
auf. Dann zuckte die Hand, die die unheimliche Waffe hielt, nach vorn, ehe Juan
y Ramonez überhaupt die Nähe der Gefahr bewußt wurde. Die Hand hielt eine
Sichel.
Die
Klinge des halbmondförmigen Instruments war rasiermesserscharf. Sie kam von der
Seite mit solcher Wucht, daß sie mit einem einzigen Schnitt den Kopf von den
Schultern des ahnungslosen Mannes trennte.
●
»Deinen
Kopf... ich will deinen Kopf«, lallte
eine dunkle Männerstimme. Sie hörte sich an, als würde ein Betrunkener oder ein
Wahnsinniger sprechen. Der Sterbende, dessen Kopf auf dem Boden lag, nahm noch
eine Sekunde alle Eindrücke auf, die ihn umgaben. Geräusche, Gerüche, Bilder...
Da
war die dumpfe, tonlose Stimme... der grelle Lichtblitz aus der Taschenlampe,
die neben dem zusammensackenden Körper lag, die Gestalt seines Mörders. Ein
breites Gesicht, stupider Ausdruck, schwarzes Haar, das in die Stirn fiel,
dicke Augenbrauen, die wie schwarze Raupen wirkten. Ein zweites Gesicht...
Das
einer alten Frau! Ausgetrocknet, welk, grau das Haar. Und dann war da noch
jemand.
Eine
junge Frau, blond, mit großen, dunklen Augen, heller Haut…
»Ich
möchte dir gern helfen...«, drang eine ferne, leise Stimme noch in sein
Bewußtsein. Rote, schmerzhaft verzerrte Lippen, die sich bewegten... Dann war
es zu Ende. Juan y Ramonez’ Hirn starb.
●
Eine
große, braune Hand drückte mit einer scharfen, ruckartigen Bewegung den Stein
nach innen, der Ramonez verdächtig vorgekommen war. Der PSA-Agent hätte seine
Überlegungen bestätigt gefunden. Die Wand war in der Tat beweglich und
reagierte auf einen verborgenen Mechanismus. Es knirschte im Gemäuer, als die
Wand nach links zurückwich und den Weg in den Stollen auf der anderen Seite der
Mauer freigab. Große, grobschlächtige Hände packten den kopflosen Agenten und
schleiften ihn über den rauhen Untergrund. Ramonez’ Kleidung riß auf den
kantigen Steinen auf. Hinter der Geheimtür setzte sich der unterirdische
Stollen fort und wurde nach wenigen Schritten sogar breiter. Der Boden wurde
weicher und enthielt weniger Steine. Er erinnerte an einen breiten Waldweg. Nur
daß die Bäume, Büsche, Gras und Moos fehlten. Wurzeln ragten aus der Decke, die
jenseits der beweglichen Wand höher war.
Das
Gelände auf dieser Seite sah aus, als würde es regelmäßig gesäubert. Es war
angelegt und bewohnt. Nur zehn Schritte von der Trennwand entfernt stand eine
Hütte, mit Fenstern und einer Tür, zu der dieser unbefestigte Hauptweg führte.
Der Himmel über Weg und Tür wirkte bizarr und zerklüftet. Er bestand aus
fester Erde und einem undurchdringlichen Dschungel von Wurzeln aller Art. Sie
waren ineinander verschlungen und bildeten eine verworrene Welt mit Hohlräumen
und tausend Versteckmöglichkeiten. Was auf der anderen Seite der Trennwand
verborgen hinter einer zugemauerten Decke lag, ragte hier frei heraus. Ein
undurchdringlicher Urwald aus riesigen und kleinsten Wurzeln, ein Gebilde, das
über den Weg, über der Hütte, über dem freien, ackerähnlichen Gelände lag, das
sich zu beiden Seiten der einsamen und bizarren Wohnstätte ausbreitete.
Auf
den Feldern wuchs nichts. Wo keine Sonne hinkam, konnte nichts gedeihen. Und
doch sahen die Äcker aus wie umgegraben. Schmucklose Hügel lagen darauf.
Insgesamt drei.
Einer
davon wirkte sehr frisch. Wie ein neu angelegter Grabhügel ohne Blumen, Kreuz
und Grabstein...
Die
dunkle Hütte machte einen bewohnten Eindruck. Die Tür stand halb offen, die Fensterläden
zu beiden Seiten waren zurückgeklappt, und hinter den Scheiben war schwacher
Lichtschein zu erkennen. Elektrisches Licht!
Die
Wohnstätte unter der Erde, unter den mächtigen Wurzeln, enthielt
erstaunlicherweise eine Einrichtung, die auf den ersten Blick unmöglich schien.
Die Luft war sauerstoffarm. Außer dem Schleifgeräusch, das Ramonez’ Körper auf
dem weichen Boden verursachte, war nur noch der rasselnde Atem seines Mörders
zu hören. Die dunkle Gestalt, die sich kaum vom Hintergrund der unterirdischen
Stätte abhob, schleifte den Toten auf den Acker mit den Hügeln. Dort ließ er
ihn fallen, nahm von der Hauswand einen Spaten und begann neben dem letzten
frischen Erdhügel eine Grube auszuheben. Ein
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