045 - Schizophrenia - Nächte des Wahnsinns
Dunkeln…
Morna
Ulbrandson und Roncolli blieben wie vom Erdboden verschluckt. Da der Name und
die Herkunft des Bankiers jedoch bekannt waren, entschlossen sich die beiden
Freunde nach diesem ungewöhnlichen Ereignis, zusätzlich noch etwas zu tun. Sie
charterten bei einer privaten Fluggesellschaft morgens um drei Uhr eine
zweisitzige Piper Tomahawk und flogen noch in der gleichen Stunde von Mailand
nach Florenz. Dort war Frederico Roncolli zu Hause.
Außer
seinem Namen und seinen Tätigkeiten wußte man bisher nichts über ihn. Und das
schien ein Fehler gewesen zu sein. Wenn Roncolli spurlos aus Mailand
verschwunden war und dabei sogar noch Morna mitgenommen hatte, dann hielt er
sich vielleicht wieder in Florenz auf. Wie das allerdings zustande gekommen
sein könnte, wußten weder Larry noch Iwan. Aber sie schlossen es nicht aus.
Wenn jemand auf rätselhafte Weise ein bewachtes Hotel verlassen konnte bestand
die Möglichkeit, genauso rätselhaft wieder an seinen Heimatort zurückzukehren.
Vielleicht verfügte dieser Signore Roncolli über magische Fähigkeiten oder steckte
mit dem Teufel im Bunde. Als PSA-Agenten mußten sie stets mit allem rechnen.
Vom
Flugplatz aus fuhren sie mit einem Taxi in die Innenstadt. Morgens, sechs
Uhr... In Florenz begann der Sonntag. Auf den Straßen herrschte kaum Verkehr,
und sie kamen flott voran. Dann standen sie vor dem vornehmen Wohnhaus mit der
restaurierten Fassade. Auf einem schmalen Messingschild stand der Name Frederico
Roncolli. Er hatte die ganze vierte Etage gemietet, die aus insgesamt
sieben großen Zimmern bestand. Die Räume mit der schönsten Aussicht gewährten
einen Blick auf das alte Florenz. Larry betätigte eine Zeitlang den
Klingelknopf, ehe sich in der Sprechanlage ein Knacken bemerkbar machte. Dann
meldete sich eine verschlafene, unfreundlich klingende Stimme. »Ja? Was ist denn
los zum Teufel? Wer klingelt denn da in aller Herrgottsfrühe Sturm?«
»Mein
Name ist Brent, Signore Roncolli... Sie sind doch Signore Roncolli?«
»Si...«
»Ich
komme im Auftrag von Kommissar Tandelli aus Mailand. Wir recherchieren in einem
Kriminalfall, Signore, und in diesem Zusammenhang haben wir leider auch an Sie
ein paar Fragen.« X-RAY-3 ging schnurstracks auf sein Ziel los. Wie würde
Roncolli reagieren?
»Fragen
im Zusammenhang mit einem Kriminalfall? Sie müssen sich täuschen, Signore.«
Es
dauerte drei Minuten, ehe Larry den hartnäckigen Sprecher überzeugen konnte,
daß eine persönliche Begegnung unerläßlich wäre und er bitte die Tür öffnen
solle, um nicht selbst in Verdacht zu geraten, einen Täter zu schützen.
Seltsamerweise funktionierte das. Zwei Minuten danach standen sie vor der
Wohnungstür. Dahinter klapperte es metallisch. Roncolli schien sich, nachdem er
sich eine Lizenz vor das Guckloch des Spions hatte halten lassen, an der
Sicherheitskette zu betätigen. Mit diesem ganzen Drumherum hatten Larry und
Iwan nicht gerechnet. Roncolli versuchte nicht, sie abzuwimmeln oder zu
entkommen. Er öffnete. Die Tür schwang zurück.
»Es
hat etwas länger gedauert, entschuldigen Sie bitte, meine Herren«, tönte die
sonore Stimme des Mannes. Er stand vor ihnen, auf Krücken gestützt. Das eine
Bein war eingegipst, und er hatte Mühe mit dem Gehen. Der Mann hatte dichtes,
silberweißes Haar, war klein und schmal und wirkte fast zerbrechlich.
»Sie
sind Signore Roncolli, Frederico Roncolli, der Bankier?« vergewisserte sich Larry
Brent noch mal und warf gleichzeitig einen Blick auf das Türschild, um
festzustellen, ob sie sich nicht doch in der Etage geirrt hatten.
Das
Schild stimmte, und der kleine Mann, der mindestens siebzig war, nickte. »Si,
si... ich bin Frederico Roncolli...«
●
Alles,
was die PSA-Agenten bisher geglaubt hatten, wurde auf den Kopf gestellt. Im
Gespräch mit dem alten Mann gab es Klarheit.
»Ich
bin vor einigen Wochen auf der Treppe gestürzt«, erzählte Frederico Roncolli,
als sie im Speisezimmer an der riesigen Tafel saßen und dampfender Kaffee vor
ihnen stand. »Wenn man alt wird, kann man sich auf seine eigenen Knochen nicht
mehr verlassen«, fügte er zwar lächelnd, aber mit einem schmerzlichen Unterton
in der Stimme hinzu. »Seit dieser Zeit habe ich das Haus nicht mehr verlassen.
Ich erledige meine Geschäfte hier von der Wohnung aus, mit Telefon und Telex...
Natürlich nur noch in sehr bescheidenem Rahmen. In meinem Alter hat man keine
großen Ansprüche mehr, und irgendwann ist auch der Zeitpunkt gekommen,
Weitere Kostenlose Bücher