045 - Schizophrenia - Nächte des Wahnsinns
wäre mir wohler... Über die ganze Geschichte, Nino, wird noch zu
reden sein. Machen wir uns auf den Weg. Lassen wir die Polizei noch aus dem
Spiel und suchen nach Rasolini... Nur er kommt, wie die Dinge liegen, als Täter
in Frage. Wie er es angestellt hat, an ein Messer zu kommen und Schwester
Marina ins Zimmer zu locken, muß geklärt werden. Zuallererst aber ist es
wichtig, Rasolini zu finden. Er kann noch nicht weit sein. Vielleicht versteckt
er sich irgendwo auf dem Gelände. Wenn es ihm gelungen ist, die Mauer zu
erklimmen, die das Anwesen umgibt, ist sein Ziel der Wald. Also müssen wir auch
da suchen.«
»Was
ist mit der Polizei, Doktor? Müssen wir sie unbedingt... einschalten?«
Giuseppe
Falco glaubte nicht recht zu hören. »Auch ich würde es am liebsten verhindern,
das dürfen Sie mir glauben... Wir können es nur verzögern, Nino... während der
Zeit der Suche nach Rasolini. Das hat im Moment Vorrang. Marina wird davon, daß
wir hier herumstehen, nicht mehr lebendig. Wir müssen ihren Mörder fassen, ehe
er weiteres Unheil anrichtet! Paolo Rasolini ist eine Gefahr für jeden, der ihm
in diesem Zustand begegnet... Seine wilde, ungezügelte Mordlust ist plötzlich und
unerwartet wieder hervorgebrochen, trotz massiv eingesetzter Medikamente, die
ihn eigentlich hätten bremsen müssen... sein Leiden ist nicht gleichgeblieben
und nicht besser geworden, wie letzte Kontrolluntersuchungen noch hoffen
ließen... Es hat sich im Gegenteil verschlimmert. Bisher hat Rasolini seine
Opfer erwürgt und erstochen, aber ihnen nie die Köpfe abgeschnitten... in
seinem Denken, das uns stets verschlossen blieb, ist eine neue schreckliche
Variante hinzugekommen... Wie immer unsere Suche nach ihm auch ausgehen wird,
Nino – es wird einen Skandal geben, der sogar so weit führen kann, daß es zur
Schließung dieser Anstalt kommt... Aber dem müssen wir uns wohl stellen, es
hilft alles nichts.«
Dr.
Falco forderte den Pfleger, der als einziger in dem Fünfzig-Betten-Haus
Nachtwache hatte, auf, Taschenlampen zu besorgen. Außerdem bewaffneten sie
sich. Nino mit einem Gummiknüppel. Dr. Falco mit einem Spezialgewehr, das er
selbst entwickelt hatte.
Falco
war begeisterter Großwild-Jäger. Lange Zeit hatte er in Afrika gelebt und dabei
auch die Arbeit von Forschungsinstituten kennengelernt, die sich mit der
Tierpflege und dem Nachwuchs beschäftigten. Um bestimmte Exemplare ihrer
Gattung gefahrlos einzufangen und zu untersuchen, wurden von den Forschern
sogenannte Betäubungsgewehre eingesetzt. Eine Patrone mit einem
Betäubungsmittel wurde abgefeuert. Beim Eindringen in die Haut geriet die
Substanz in die Blutbahn und machte das betreffende Tier bewegungslos und
kampfunfähig. Diese Methode verfeinerte Falco.
Als
er die Leitung der Nervenheilanstalt vor vierzehn Jahren übernahm, entwickelte
er ein Gewehr, dessen Wirkungsweise auf der gleichen Basis beruhte. Immer
wieder kam es vor, daß hier, im abgelegenen Mombello, Anstalts-Insassen flohen
und nur unter größten Schwierigkeiten wieder eingefangen werden konnten. Da kam
Falco auf die Idee, das Betäubungsgewehr, das er in Afrika kennengelernt hatte,
auch bei Menschen einzusetzen. Nur eine Handvoll Mitarbeiter war über diesen
Umstand informiert, denn was Falco tat, war nicht legal. Aber der Zweck heiligt
die Mittel, lautete seine Maxime. So verschoß er Kapseln, die er selbst
herstellte und die mit einem Betäubungsmittel gefüllt waren, auf jene ab, bei
denen jeder herkömmliche Versuch, sie wieder einzufangen, versagte. Über den
Einsatz des Gewehres wagten alle, die davon wußten, nichts zu sagen. Falco
hatte sie zu strengstem Stillschweigen verpflichtet, und worum ein Mann wie
Falco bat, das wurde befolgt.
Der
Nervenarzt holte das unter Verschluß gehaltene Gewehr aus einem Schrank in
seiner Wohnung, zog einen Pullover über und begann mit dem Pfleger die Suche
nach dem Verschwundenen. Die beiden Männer untersuchten die kritischen
Verstecke im nächtlichen Park. Außer dem Hauptportal gab es zwei hohe
Eisentüren, aus deren oberem Drittel spitze Stäbe ragten, um ein Überklettern
zu verhindern. Hier kam niemand drüber. Aber das war auch nicht notwendig, wie
sie beide gleichzeitig erkannten. Die schmale, eiserne Tür in der rückwärtigen
Mauer des Anwesens – war nicht abgeschlossen. Falco drückte die rostige
Klinke herab, und konnte die Tür öffnen...
●
»Eine
Nacht voller Überraschungen«, murmelte der Nervenarzt. »Je mehr ich
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