0450 - Sukos Totenfeier
bereits, hatte die Hand auf ihrem Schenkel gespürt und erschauderte noch im nachhinein.
Wieder winkte der Finger.
So abgehackt, hölzern, längst nicht so geschmeidig wie bei einem normalen Menschen.
Shao verstand das Zeichen. Der Anführer wollte etwas von ihr. Da er im Licht stand, würde sie ihn auch sehen können, denn bisher kannte sie ihn nur als Schatten.
Shao zögerte nicht mehr länger, gab sich einen innerlichen Ruck und machte sich auf den Weg. Sie zitterte, als sie sich der kleinen Treppe näherte, über die Stufen hinwegschritt und mit dem Ellbogen des rechten angewinkelten Arms die Tür nach innen aufdrückte.
Der Raum war nicht groß und besaß schlauchähnliche Ausmaße. Etwa in der Mitte stand, sich dabei in den zahlreichen Spiegeln an den Wänden wiederfindend, derjenige, der schon mit Shao im Wagen gesessen hatte.
War es ein Mensch?
Er sah so aus, aber gleichzeitig kam er Shao vor wie eine lebende Figur aus Holz, dessen Mund offenstand, so dass die krächzenden Worte zwischen seinen Lippen hervordrangen.
»Ich bin Ondekoza, der Dämonentrommler!«
***
Suko fahren zu lassen, wäre einem vorprogrammiertem Selbstmord gleichgekommen. Deshalb übernahm ich das Lenkrad, um die kurze Strecke zu steuern.
Wir wohnen in einem Hochhaus am Rande von Soho. Sehr weit hatten wir also nicht zu fahren, dennoch saß mein Freund Suko, der ansonsten immer so besonnen war, wie auf glühenden Kohlen. Zwar rutschte er auf dem abgeschabten Velours des Beifahrersitzes nicht hin und her, aber er bewegte seine Finger wie die Klauen von Greifzangen, die zupackten, sich wieder öffneten und von vorn begannen.
Das sommerliche Wetter hatte eine Pause eingelegt. Die Temperaturen waren stark gefallen. Fünfzehn Grad über Null zeigte das Thermometer an, eine Kühle, wie man sie oft genug auch im Oktober erlebte. Für Juli war das nichts.
Dennoch ließen sich die vielen Festland-Touristen nicht davon abhalten, ihre Trips zu unternehmen. Sie waren wie die Heuschrecken in Soho eingefallen und wollten das erleben, was man ihnen zu Hause möglicherweise im Flüsterton erzählt hatte.
Dabei vergaßen die meisten, dass Soho nicht nur aus Porno-Shops und Bars besteht. In diesem Teil der Stadt gibt es die meisten Theater, kleine Museen, viele Spezialitätenrestaurants, in denen man unsere englische Küche vergessen konnte, und es wohnten hier auch völlig normale Menschen, die sich am Abend schlafen legten.
Der Theaterbau, den die Japaner gemietet hatten, hieß GOLD & GLAMOUR. Ein altes Gebäude, das schon einige Jahrzehnte stand und nur von Gastspieltruppen benutzt wurde, die publikumsmäßig einen permanenten Zulauf besaßen, weil sie eben etwas anderes boten als nur klassisches Theater.
Ein Problem war in Soho geblieben. Es gab kaum freie Parkplätze. Zwar existierten Parkhäuser, aber die waren voll. Wir hatten Glück und bekamen trotzdem einen Stellplatz nahe des Theaters, südlich der Oxford Street, die Sohos nördliche Grenze bildet.
Der Platz befand sich auf dem Gelände eines Polizeireviers. Die Kollegen kannten uns und bekamen graue Gesichter, denn sie hatten Angst, dass wir ihnen bald wieder Leichen oder irgendwelche Dämonen präsentieren würden.
»Soweit ist es noch nicht«, sagte ich.
»Kann aber noch kommen, wie?«
»Möglich ist alles, Freunde.«
Zu Fuß machten wir uns auf den Weg. Suko hatte es eilig. Ich konnte kaum Schritt halten. Der Inspektor schaufelte sich den Weg frei, denn zahlreiche Schaulustige kamen uns entgegen.
An manchen Kinokassen standen ebenfalls kleine Schlangen, ich sah sie auch an den Schnell-Imbissen und Schaufenstern.
Soho brodelte. Und durch den Stadtteil fuhr ein kühler Wind, der alle möglichen Gerüche mitbrachte.
Das Theater lag, von der Straße aus gesehen, zurückgesetzt. Davor stand ein Brunnen, zwei Scheinwerfer leuchteten ihn an und ließen die hoch wirbelnden Wasserfontänen gelb aussehen. Sie strömten aus den Armen einer Frauengestalt, die wohl eine musische Göttin darstellen sollte.
Hinter dem Brunnen leuchtete die Reklame in greller Leuchtschrift.
JAPANS SENSATION - DIE SIEBEN DÄMONENTROMMLER
Darunter flackerten auch die Anfangszeiten der jeweiligen Shows auf. Da der Zustrom äußerst rege war, hatte man für den Abend zwei Shows einkalkuliert. Die nächste sollte in zwanzig Minuten beginnen, wie ich mit einem Blick auf die Uhr feststellte.
Vor dem aus drei gläsernen Flügeltüren bestehenden Eingang hatten sich zahlreiche Besucher versammelt. Jetzt
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