0451 - Schwarze Träume
den Schultern. »Hauptsache ist, daß wir bald zu Ombres Kellerwohnung kommen, mit Angelique reden können und Julians Spur finden. Ich habe das dumpfe Gefühl, daß die Zeit drängt.«
Zamorra sah sie alarmiert an. Wenn Nicole redete, steckte meist mehr dahinter.
»Ich kann's nicht genau definieren«, sagte sie. »Aber ich glaube, irgend etwas geschieht, und wir müssen verdammt schnell sein, wenn es uns nicht aus den Händen gleiten soll…«
Von einem schwarz maskierten Mörder, der unvermittelt auftauchte und wieder verschwand und schon zwei Menschen fast den Verstand geraubt hatte, konnte sie nicht einmal träumen.
***
Julian betrachtete das mehrstöckige Haus. In der Kellerwohnung lebte Ombre. Die Erinnerung an die letzte Begegnung sprang den Jungen förmlich an: Da war auch ein Mädchen gewesen, Angelique. Mehr als ihren Namen und die Tatsache, daß sie ihn mit einem Überraschungsangriff auf die Matte gelegt hatte, wußte er von ihr nicht. Aber er war von ihr fasziniert. Wenn er an sie dachte, glomm etwas in ihm auf, das er nicht zu definieren vermochte.
Er wollte es auch gar nicht… oder doch? Vielleicht fürchtete er sich vor dem, was er in sich entdecken mochte, wenn er diesem Empfinden auf den Grund ging…
Und als er jetzt auf das Haus zuging, erkannte er, daß er eigentlich Angeliques wegen hierher gekommen war.
Sicher - er wollte mit Ombre reden und ihn zu sich holen. Er wollte den Schatten überreden, an seiner Stelle zu wirken. Aber dazu hätte er auch andere Mittel einsetzen können. Er hätte seine dunkle Schachfigur, »Captain Hook«, einsetzen können, oder er hätte jedes andere Traumbild wählen können. Aber er hatte sich selbst projiziert. Die Welt, aus der er kam - die Unterwelt -, überlappte sich mit der Erde an dieser Stelle und erlaubte ihm, zwischen beiden Sphären zu wechseln, in denen die Grenzen jetzt verschwommen waren.
Noch konnte er es anders anfangen. Einmal schon hatte er von Ombre eine Abfuhr bekommen, und es war sicher, daß der Schatten auch diesmal ablehnen würde. Doch vielleicht konnte er mit Angelique sprechen und sie dazu bringen, daß sie auf Ombre einwirkte.
Sie waren doch Bruder und Schwester…
Er schritt die Kellertreppe hinab.
***
»Ich kann es nicht glauben«, sagte Nicole verblüfft. Nur wenige Minuten, nachdem Gryf per zeitlosen Sprung verschwunden war, tauchte er bereits wieder auf - mit einem offenen Chrysler-Le Baron.
»Wo zum Teufel hast du den denn her?« stöhnte Nicole auf.
»Geliehen«, sagte Gryf.
»Daß du ihn nicht gestohlen hast, setze ich eigentlich voraus! Aber wie hast du das gemacht? Ohne Geld, ohne Sicherheiten…?«
»Wer sagt denn, daß ich kein Geld und keine Sicherheiten zu bieten habe?« erwiderte der Druide spöttisch. »Aber laß mir ruhig meine kleinen Geheimnisse, ja? Packt eure Köfferchen dahin, wo sie hingehören, und steigt ein!«
Während Zamorra lud, öffnete Nicole die Fahrertür. »Rutsch 'rüber«, bat sie.
Gryf blieb sitzen. »Ich denke ja gar nicht dran«, sagte er. »Nach deinem eigenen Bekunden fahrt ihr ständig Leihwagen kaputt. Diesen fahre ich. Glaubt ihr, ich will mir von euch mein Image auch noch ruinieren lassen?«
»Frechheit«, murmelte Nicole. Der Druide grinste. »Sei froh, daß ich nicht auch noch Fahrkarten kontrolliere«, sagte er. »Wer sagt mir den Weg an?«
Nicole holte tief Luft. »Wenn es nicht so drängen würde, bekämst du jetzt die Aufforderung, ihn selbst zu finden«, erwiderte sie und ließ sich auf dem Beifahrersitz nieder. Zamorra zwängte sich auf die Rückbank.
»Bei dieser Hitze auch noch sportliche Verrenkungen«, murmelte er. »Konntest du nicht eine viertürige Limousine mit Klimaanlage mieten?«
»Dir wird's gleich luftig da hinten«, versprach Gryf und gab Gas. Der Wagen schoß davon. Gryf schien eine Zeitlang in Italien gefahren zu sein, vorzugsweise Rom und Neapel. Entsprechend war sein Umgang mit dem Wagen unter Ausnutzung aller Lücken in den Verkehrsregeln. Zamorra gab die Kursanweisungen. Er war mittlerweile oft genug in dieser Stadt gewesen, daß er sich auch ohne Stadtplan einigermaßen zurechtfand.
Sie näherten sich ihrem Ziel.
Und Nicole war schweigsam geworden. In ihr wurde das Gefühl, daß etwas nicht so lief, wie es sein sollte, immer stärker…
***
Ombre fühlte, daß etwas nicht stimmte. Sein Amulett warnte ihn. Etwas näherte sich der Wohnung mit der Geschwindigkeit eines Fußgängers.
Die Hand des 28jährigen Negers umschloß die
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