0452 - Die finstere Seele
Druide hätte ihn also mühelos überwältigen können. Eysenbeiß hatte unverschämtes Glück gehabt.
Beim nächsten Mal durfte er nicht wieder so impulsiv vorgehen. Er mußte überlegen, wie er sich wehren konnte, mußte Rücksicht darauf nehmen, in was für einem Körper er jetzt steckte.
Immer wieder verblüffte ihn, daß der Körper ihm eine andere Art zu gehen aufzwang, als er es gewohnt war. Die Brüste, wenngleich klein geformt, bildeten ein ihm unbekanntes Gewicht, und das breitere Becken verlangte, daß er die Beine anders bewegte als ein Mann.
Er kniete sich neben den Druiden und tastete nach dessen Puls. Gryf lebte noch. Er war nur bewußtlos.
Das konnte man ändern.
Eysenbeiß legte die Hände um den Hals des Druiden, um ihm mit einem schnellen Ruck das Genick zu brechen.
Aber dann überlegte er es sich anders. Dieser Tod war zu einfach. Gryf würde nicht einmal wissen, warum er starb und wer ihn tötete. Nein, Eysenbeiß wollte ihm die Gewißheit geben. Dazu mußte Gryf wieder wach sein.
Der ehemalige Große zauberte ein triumphierendes Lächeln auf die Lippen der Indianerin, als er den Alkohol roch. Das erklärte vieles. Deshalb also hatte der Druide ihn möglicherweise nicht richtig erkannt, hatte sich nicht mit seiner Magie zur Wehr setzen können. Seine Reaktionen waren langsam und gedämpft.
Nur, weshalb er ausgerechnet hier aufgetaucht war, ließ sich daraus nicht erklären. Aber es war höchstwahrscheinlich auch völlig egal.
Eysenbeiß erhob sich. Er begann die Wohnung schnell und systematisch zu durchforschen. Er bedauerte, daß es keine Erinnerungen gab, die er abrufen konnte; er hatte alles mit dem Bewußtsein seines Wirtskörpers zusammen verdrängt. Aber schließlich fand er eine Flasche mit niedrigprozentigem Alkohol. Er flößte den Inhalt dem Druiden ein. Je betrunkener der war, desto weniger konnte er Eysenbeiß mit seiner Magie gefährlich werden, weil er sie dann nicht koordiniert einsetzen konnte. Aber er würde nicht betrunken genug sein, um nicht zu begreifen, was mit ihm geschah.
Eysenbeiß fesselte ihn nach allen Regeln der Kunst. Schließlich konnte Gryf sich weder aus eigener Kraft von seinen Fesseln befreien, noch sich darin so bewegen, daß er einen zeitlosen Sprung auslösen konnte. Eine Flucht war also unmöglich.
Eysenbeiß bedauerte, daß er keine besseren Möglichkeiten besaß. Aber das Amulett, mit dem er seinerzeit einiges hatte bewirken können, war nicht mehr in seinem Besitz, und er verfügte auch nicht mehr über die magischen Kräfte, die er sich damals in seiner Zeit als Herr der Hölle angeeignet hatte. So schwach sie auch gewesen waren, sie hätten ausgereicht, den Druiden schwer zu behindern.
Das einzige, was ihm geblieben war, war eben nur die Fähigkeit, in die Zukunft zu schauen.
Er widerstand der Versuchung, eine Vision abzurufen, in der er Gryf durch seine Hand sterben sah. Diesen Genuß wollte er nicht dadurch schmälern, daß er ihn als Zukunftsbild in leicht verwaschener Form vorwegnahm. Er wollte es unmittelbar und direkt erleben.
Und die Zeit bis zu Gryfs Erwachen konnte er nutzen, indem er sich mit seinem neuen Körper vertraut machte.
Allmählich gewöhnte er sich an die ihm fremde Anatomie.
***
Angesichts der ständigen Negativ-Meldungen hatte Jenkins in der Flugleitstelle Tampa mittlerweile die Hoffnung verloren, daß es noch Überlebende von Flug Nr. 328 gab. Wahrscheinlich war die Maschine noch in der Luft explodiert, und die Trümmer waren wie Steine im Meer versunken.
Patterson war hinausgegangen, um am Automaten zwei Becher Kaffee für seinen Boß und sich zu ziehen. Jenkins starrte auf den Radarschirm. Plötzlich glaubte er schräg hinter sich an Pattersons Arbeitspult eine Bewegung zu sehen.
Wenn Patterson zurück war, warum stellte er den zweiten Kaffeebecher nicht auf Jenkins' Tisch?
Jenkins wandte sich um.
Das war doch nicht Patterson, der da -
Weg!
Der Mann, der an Pattersons Pult gesessen hatte, war spurlos verschwunden! Jenkins rieb sich die Augen. Er litt doch nicht unter Halluzinationen?
Er versuchte sich zu erinnern, wie der Unbekannte ausgesehen hatte. Helles Haar, sehr jung… kaum älter als achtzehn! Aber das war praktisch unmöglich; Teenager machten in der Flugleitstelle keinen Dienst.
Da tauchte Patterson in der Tür auf, zwei Becher vor sich balancierend. »Sie sehen aus, als hätten Sie ein Gespenst gesehen«, stellte er fest.
»Habe ich auch…«, brummte Jenkins, schwieg aber dann über die
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