0453 - Die Vögel des Bösen
habe ein paar enge Verwandte, die sich Sorgen um mich machen und die ich versorgen muß.«
»Warum so ungeduldig?« Julian war schon durch die Öffnung in der Wand getreten und winkte jetzt. »Komm mit!«
Da war irgend etwas in seiner Stimme, dem sich Ombre nicht entziehen konnte. Ein hypnotischer Zwang. Ohne es zu wollen, setzte er sich in Bewegung und folgte dem Fürsten, der wie ein Teenager aussah.
Hinter ihnen schloß die Wand sich wieder, die aufgeschmolzen worden war, und fand zu ihrem ursprünglichen Aussehen zurück.
***
Tendyke bewegte sich mit rasender Schnelligkeit. So rasch, wie er seinen Entschluß gefaßt hatte, führte er ihn auch durch. Ihm war klar geworden, daß er auf dem normalen Weg nichts mehr erreichen würde. Wenn er in der Zelle weiter abwartete, hatte er schon verloren. Calderones Reaktion hatte ihm gezeigt, daß er nichts mehr zu verlieren hatte, und daß seine Theorie stimmte: Sie wollten seine Rückkehr verhindern!
Sheriff Bancroft war in diesem Intrigenspiel auch nur ein Opfer. Solange der Schein gegen Tendyke sprich, konnte der Sheriff nichts weiter für ihn tun. Deshalb war der Abenteurer Bancroft auch nicht böse. Trotzdem wirbelte er herum und fällte den überraschten Mann mit einem gezielten, sauberen Handkantenschlag. Bancroft sank in sich zusammen, stöhnte leicht auf und versuchte gegen die Besinnungslosigkeit anzukämpfen, aber dann schlossen sich seine Augen.
»Sorry, Jeronimo«, sagte Tendyke leise, auch wenn der Sheriff es in seinem augenblicklichen Zustand nicht hören konnte. »Hoffentlich tut's nicht weh, wenn du aufwachst. Aber ich brauche Bewegungsfreiheit. Wenn ich meine Identität beweisen will, kann ich nicht wie das Opferlamm im Stall hier sitzen und abwarten, bis ich zur Schlachtbank geführt werde, sondern ich muß selbst angreifen. Nun, vielleicht können wir trotzdem Freunde werden - eines Tages, später, wenn das alles hier vorbei und geregelt ist. Denn ich glaube, du bist ein guter Polizist, Mann.«
Er drehte den Bewußtlosen in die stabile Seitenlage, dann nahm er noch einmal hinter dem Schreibtisch Platz und zog die Schubladen auf. Er fand seinen persönlichen Besitz, nahm ihn rasch, aber gelassen wieder an sich und fand einen Block, auf dem er den Empfang seiner Utensilien ordentlich quittierte. In der Schublade lag auch Loewensteens Pistole, die Tendyke im Bungalow an sich gebracht hatte, um Loewensteen damit zu seinem Geständnis zu überreden; bei Tendykes Festnahme hatte Bancroft die Waffe beschlagnahmt. Loewensteen hatte protestiert, daß er nun weiteren Einbrechern schutzlos ausgeliefert sei. Bancroft hatte ihn nur milde angegrinst und ihn daran erinnert, daß der gerade verhaftete Einbrecher ja eben diese Waffe als erstes in seinen Besitz gebracht hatte…
Tendyke griff nach der Pistole - und ließ sie liegen. Er glaubte auch ohne Zimmerflak im Leben zurechtkommen zu können - zumindest in der sogenannten Zivilisation. Wenn er auf seinen Dschungelexpeditionen unterwegs war, sah das natürlich etwas anders aus.
Wo steckten die Deputies, die Calderone nach draußen begleitet hatten?
Tendyke ging kein Risiko ein. Er nahm den anderen Weg. Er wich nach hinten aus und verschwand durch die Tür zum Innenhof. Er widerstand auch der Versuchung, sich einen der Polizeiwagen auszuleihen, obgleich er die drei auf dem Hof parkenden Mercurys mit seinen Steuern doch mitfinanziert hatte. Sein Köfferchen in der Hand, in dem sich das wenige Reisegepäck befand, darunter auch Zamorras magischer, dämonenvernichtender Ju-Ju-Stab, schlich er sich über den Zaun aufs Nachbargrundstück und von dort aus auf die nächste Straße.
Mittlerweile mußten jeden Moment die Deputies den niedergeschlagenen Sheriff bemerken und Tendykes Flucht entdecken. Spätestens dann war die Hölle los, begann die Fahndung.
Widerstand gegen die Staatsgewalt wurde auch in Florida nicht eben als ein Kavaliersdelikt behandelt.
Tendyke zog sich den Stetson tiefer in die Stirn. Er sah ein feuerrotes Chrysler-Le-Baron-Cabrio am Straßenrand stehen. Er sah ein Eis-Café und ein hübsches, dunkelhäutiges Mädchen in weißen Shorts und einem weißen Shirt, das mindestens zwei Nummern zu klein war. Das Mädchen trug ein Eishörnchen in der Hand und hatte nur die zweite Hand frei, sich der Zudringlichkeiten zweier Männer zu erwehren, die dem Girl arg zusetzten.
»Sachen gibt's«, murmelte Tendyke und stellte seinen kleinen Handkoffer neben dem Auto ab. Dann machte er ein paar Schritte und
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