0453 - Die Vögel des Bösen
nicht in diese makabre Umgebung paßte! Und es paßte auch nicht zu der Rolle, die Julian einnahm. Er war doch der Chef der Teufel in dieser Hölle!
»Ombre, du hast recht eigenartige Vorstellungen von der Hölle und wie es darin aussieht… dabei hat sich diese Sphäre schon immer dem menschlichen Begriffsvermögen entzogen! Allenfalls Hieronymus Bosch hat sie einigermaßen bildlich erfassen und darstellen können, aber auch seine Bilder sind nur Interpretationen durch seinen künstlerischen Geist! In Wirklichkeit muß man andere Sinnesorgane haben, dämonische, von Schwarzem Blut geprägte! Nur dann kann man das Gesehene richtig verarbeiten und einordnen.«
Ombre zuckte mit den Schultern. So genau wollte er es gar nicht wissen. Unwillkürlich glitt seine Hand zum Amulett, das wieder vor seiner Brust hing. Es fühlte sich nach wie vor heiß an, ohne dabei Verbrennungen zu erzeugen. Irgend etwas in dieser Hölle schien dafür zu sorgen, daß die Silberscheibe ständig Hitze abstrahlte.
Vorsichtig ließ der Neger sich auf etwas nieder, das wie eine Sitzgelegenheit aussah. Ohne zu wissen, warum, hegte er den Verdacht, daß dieses Sitzmöbel unter Umständen zu unheiligem Leben erwachen und zubeißen konnte…
Aber nichts dergleichen geschah.
Ombre fühlte, daß er mehr und mehr nervös wurde. Je länger er sich hier aufhielt, desto mehr belastete ihn seine Umgebung. Daran konnte auch Julians sympathieweckendes Lachen nicht viel ändern.
»Worüber willst du mit mir reden, Fürst?« fragte er. »Es gibt nichts, was wir uns zu sagen hätten. Bring mich wieder dorthin zurück, wohin ich gehöre! Was ist überhaupt aus Tendyke geworden? Was aus dem Flugzeug und seinen Passagieren?«
»Robert Tendyke lebt, und viele Passagiere der abgestürzten Maschine ebenfalls. Fast hätte ich deshalb Ärger bekommen«, sagte Julian. »Einigen dieser dummen Teufel gefiel meine Rettungsaktion nicht.«
»Rettungsaktion?« echote Ombre dumpf.
»Sie hätten lieber gesehen, wenn alle Insassen umgekommen wären. Aber das konnte ich nicht zulassen. Nun, offenbar herrschen hier andere Moralbegriffe als dort, woher ich komme. Auch etwas, das geändert wird. Wer mir untertan ist, muß sich mir anpassen. Sie werden es lernen oder daran zerschellen, diese Schwarzblütigen.«
Ombre horchte den feinen Untertönen nach. Zum zweiten Mal hatte der Fürst sich mit seiner Wortwahl von den Dämonen und Teufeln distanziert, aber er hatte auch nicht zugegeben, entweder Mensch oder Dämon zu sein. Was war dieser Junge wirklich? Worin bestand sein Geheimnis?
Ombre wußte es nicht.
»Ich möchte immer noch, daß du für mich arbeitest, Ombre«, sagte der Fürst. »Dabei ist das nicht das richtige Wort. Zusammenarbeit würde eher passen. Vielleicht könnte Freundschaft daraus werden. Wir zwei zusammen - das wäre 'was…«
Ombre schüttelte den Kopf. »Niemals«, stieß er hervor.
»Überlege es dir gut. Es bringt Vorteile, Ombre. Sehr viele Vorteile. Du könntest euren Lebensstandard wesentlich erhöhen. Denke auch an deine Geschwister.«
»Eben daran denke ich«, sagte Ombre. »Und ich verkaufe meine Seele nicht.«
Dennoch war tief in ihm etwas, das er nicht deuten konnte und das ihn zu Julian Peters hinzog. Und umgekehrt war es ebenso…
Dabei gab es bei Julian noch etwas anderes. Etwas, von dem Yves Cascal nichts ahnte. Seit seiner ersten Begegnung mit Angelique Cascal, Ombre's Schwester, konnte Julian ihr Bild nicht mehr aus seinem Gedächtnis vertreiben. Immer wieder schob es sich in den Vordergrund.
Das war für Julian ein weiterer Grund, mit der Familie Ombres in Verbindung zu bleiben. Er wollte wissen, was das für ein Gefühl war, das ihn durchströmte. Er kannte es nicht. Seine Entwicklung war zwar abgeschlossen, aber in einem solchen Tempo vorangegangen, daß für zwischenmenschliche Dinge einfach niemals Zeit gewesen war. Ganz abgesehen davon, daß Julian in seiner Entwicklungsphase isoliert gelebt hatte. Die einzigen Menschen, die er gekannt hatte, waren seine Eltern und seine Tante gewesen…
Woher also sollte er wissen, was das für ein Brennen war, das in ihm glühte, seit er Angelique gesehen hatte?
»Ich will nicht deine Seele, Ombre«, sagte Julian. »Ich will deine Hilfe.«
»Ich verweigere sie dir«, sagte Ombre.
»Das ist schade. Aber vielleicht überlegst du es dir noch anders. Ich gebe dir noch eine Weile Bedenkzeit. Sieh dich um und erlebe, über welche Macht ich hier verfüge.«
Ombre sprang auf. »Nein«, keuchte
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