0453 - Im Bann des Pegasus
betreten hatte, dennoch war sie davon überzeugt, dass man auf sie wartete.
Kaum hatte sie die Tür aufgestoßen, als sie wieder das Flüstern hörte.
»Kein Licht!«
Gabriela erschrak. Sie blieb auf der Schwelle stehen. Ihr Herz klopfte schneller.
»Komm jetzt vor.«
Das Mädchen ging die ersten Schritte. Sie schloss die Tür. Nur durch die beiden Fenster sickerte es blaugrau. Nicht weit entfernt stand der Tisch, dahinter das alte Sofa, daneben befand sich, eingebaut in eine Nische, die Tür zum zweiten Raum, der als Schlafzimmer und Bad diente.
In der Nische stand der Mann. Sie sah ihn sehr schwach und wurde erst richtig aufmerksam, als er winkte, »Gabriela, bitte…«
»Wer bist du?«
»Ein Freund…«
Sie lachte leise und unsicher. »Ich habe nicht viele Freunde. Und diejenigen, die ich besitze, die brauchen sich nicht zu verstecken. Verstehst du?«
»Ja, aber ich muss dir etwas sagen. Ich bin nicht nur Freund, auch Bote. Ich habe die Aufgabe, dir eine traurige Botschaft zu überbringen. Bitte, setz dich hin.«
Er hatte drängend gesprochen, und Gabriela hatte auch keine Angst mehr. Wenn der Mann etwas Schlimmes von ihr gewollt hätte, wäre sein Verhalten ein anderes gewesen.
Sie trat an das Sofa und ließ sich auf der rechten Seite nieder.
»Jetzt komm auch.«
Der Fremde löste sich aus der Nische, ging bis an die Rückseite und legte seine Hände auf die gebogene Lehne.
»Kostos ist tot!« sagte er nur.
Gabriela saß still, sehr still. Sie atmete nicht einmal und hockte da, als würde sie den Worten noch einmal nachlauschen.
»Sag es noch einmal!«
»Kostos ist tot!«
Da nickte sie. Ihr Kopf blieb aber vornübergebeugt, und plötzlich begann sie zu weinen. Es brach aus ihr hervor, denn sie trauerte um einen Freund und um den Geliebten. Sie und Kostos waren schon in den Kindertagen unzertrennlich gewesen, und Kostos hatte ihr später den Blick für gewisse Dinge geöffnet, die nur bestimmte Menschen sehen könnten! Sie hatten nicht zusammenbleiben können, denn Kostos war von seiner Idee besessen gewesen. So war er eingetreten in die Loge der Mystiker, um im Kloster seinen Forschungen nachgehen zu können.
Der andere ließ sie weinen. Erst nach Minuten war sie soweit, um sich die Nase schnäuzen zu können. Gabriela rang nach Atem, sie suchte auch nach den passenden Augen und fragte mit leiser, erstickt klingender Stimme: »Wie starb er?«
»Man tötete ihn!«
Wieder versteifte sie. »Mord?«
»Ja. Es war ein Fremder. Er kam als Besucher. Wir wussten nicht, dass er ein Feind war, ein gefährlicher Spion, der unserer Sache nicht dienen wollte. Er lockte Kostos auf die Brüstung und brachte ihn dort bestialisch um. Wir haben alles versucht, aber wir konnten ihn nicht mehr fangen. Zunächst dachten wir, dass er abgestürzt wäre. Das stimmte nicht. Er entkam über die Außenmauer und durch den Wald.«
»Du kennst ihn?«
»Sicher. Sogar seinen Namen, mit dem er sich bei uns vorgestellt hat.«
»Sag ihn mir!« forderte Gabriela.
Der Mönch aus dem Kloster zögerte. »Und wenn du ihn weißt, was geschieht dann?«
Sie atmete tief durch. »Ich werde ihm einen Besuch abstatten. Noch in dieser Nacht.«
Sie sah nicht das Lächeln auf dem Gesicht des anderen. Das genau hatte er bei Gabriela erreichen wollen.
Er hielt sie hin. Das gehörte zu seinem taktischen Konzept. Sie sollte heiß auf den Namen werden und vor Zorn vergehen. Rache musste glühen. »Soll ich dir sagen, wie er ihn umgebracht hat?« Der Mönch ließ das Mädchen erst gar nicht zu einer Antwort kommen.
»Er zerschmetterte seine Brust. Er ließ deinem Kostos keine Chance. Er machte es gnadenlos und schleuderte ihn schon als Toten über die Mauer und in den Wald. So kann ich dir nicht einmal seine Leiche zeigen, damit du von ihm Abschied nehmen kannst.«
»Wer?« Sie sprach rau.
»Ein Engländer, meine Liebe. Blondhaarig, kein Tourist, glaube ich. Eher ein Killer. Ein Mensch ohne Grundsätze, ohne Moral. Du weißt, dass wir bleiben müssen, aber du, Gabriela, bist unser verlängerter Arm.«
»Den Namen will ich wissen!«
Der Mönch beugte sich vor. Er brachte seine Lippen dicht an Gabrielas linkes Ohr. »Sinclair!« flüsterte er so scharf, dass sie jeden einzelnen Buchstaben verstehen konnte. »John Sinclair, hast du gehört, Gabriela? John Sinclair.«
Das Mädchen nickte. »Ich habe alles verstanden, sehr genau, mein Freund, sehr genau!«
»Und du wirst ihn nie vergessen?«
»Nein!«
»Dann geh zu ihm und erledige das
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