0453 - Im Bann des Pegasus
in unserem Sinne. Wenn es geschehen ist, kommst du zurück.«
»Aber nicht hierher!«
»Nein, du wirst uns Bericht erstatten. Komme ins Kloster, da werden wir dich empfangen.«
Gabriela erschrak zutiefst. »Darf ich dort hinein?«
»Wir erlauben es dir. Bei dir machen wir eine große Ausnahme. Du kannst zu uns.«
Sie atmete stöhnend ein. »Dann sagt mir nur noch, wie ich ihn finden kann und wo er wohnt.«
»Am Hafen, wo alle Fremden hausen. Bei Nicos.«
»Ich kenne ihn.«
»Er hat ein Zimmer im ersten Stock. Es ist das an der Ecke, mit Balkon. Du wirst vom Feigenbaum aus sein Zimmer erreichen können. Erst auf den Balkon, dann hinein.«
»Ja, ich habe verstanden«, erwiderte sie tonlos.
»Noch Fragen?«
»Womit soll ich ihn töten? Ich kann ein Messer nehmen und ihm die Kehle aufschneiden…«
»Dagegen habe ich nichts. Aber er soll doch leiden, oder willst du, dass er sofort vernichtet ist?«
»Nein, ich will ihn leiden sehen.«
»Dann nimm das!«
Neben ihrer Schulter erschien eine Hand. Sie war noch zur Faust geballt, doch als sie sich öffnete, sah Gabriela, was auf der Fläche lag.
Der Ring der Mystiker! Golden schimmerte er auch im Dunkeln.
Sie sah das Motiv auf der runden Oberseite. Das geflügelte Pferd mit dem lanzenförmigen Einhorn auf der Stirn.
Gabriela staunte. »Und das überlasst ihr mir? Dieses wertvolle Stück? Ich kann es nicht annehmen.«
»Du wirst damit töten!«
»Wie denn?«
Ein relativ spitzer Fingernagel bewegte sich auf eine bestimmte Stelle am Rand des Ringes zu, wo ein winziger Kontakthebel saß.
Die Sperre wurde gelöst, und das Horn schnellte aus der Stirn.
Gabriela erschrak und stieß sogar einen leisen Schrei aus. »Gift«, hörte sie den Mann flüstern. »Die Nadel enthält Gift. Wenn sie in den Körper des Feindes eindringt, verspritzt sie es.« Er drückte die Nadel wieder zurück.
Gabriela schluckte. Sie war plötzlich nervös geworden. »Passt er mir?« fragte sie.
»Versuche es!« wisperte der Mönch und überließ dem Mädchen die gefährliche Waffe.
Gabriela fasste den Ring vorsichtig an. Sie nahm ihn zwischen zwei Finger, während der Mönch hinter ihr ins Dunkel des Zimmers tauchte.
Von dort beobachtete er sie.
Gabriela streifte den Ring über. Sie lachte leise, als sie merkte, dass er ihr genau passte. Das Schmuckstück schien wie für sie gemacht zu sein.
»Ist es gut?« fragte der Mönch.
»Wunderbar.«
»Du darfst ihn behalten. Gabriela. Dieser Ring wird dir auch die Pforte zu unserem Kloster öffnen. Wer ihn trägt, darf das Gemäuer betreten. Bis später, Gabriela. Auf Wiedersehen…«
Es waren seine letzten Worte. Der Mönch verschwand so lautlos, wie er gekommen war. Gabriela hörte kaum das Schließen der Tür.
Sie war zudem in den Anblick des Ringes versunken, Sie lächelte einige Male sehr hart und stand plötzlich auf.
Wenn sie ging, dann in einer anderen Kleidung. Gabriela beeilte sich jetzt, die neuen Sachen aus dem schmalen Schrank zu holen. Ein dünner, dunkler Pullover kam für sie in Frage und eine dunkle Hose. So konnte sie nicht schnell gesehen werden.
Sie löste ihr Haar, nahm ein Stirnband und band die Pracht damit fest.
Sollte sie auch ein Messer mitnehmen? Nein, Gabriela entschied sich dafür, als einzige Waffe den Ring zu behalten.
Dieser Sinclair sollte sterben. Durch den Stich des Einhorns.
Sie probierte den Ring aus.
Das lanzenartige Horn schnellte hervor. Auf einen weiteren Druck ihres Fingers hin fuhr das Horn wieder zurück, und der normale Ring war zu sehen.
Sie war zufrieden! Der Mönch hatte sie längst verlassen. Im Kloster würde sie ihn wiedersehen, dann hoffentlich mit einer Erfolgsmeldung.
Gabriela schritt zur Tür. Sehr aufmerksam verließ sie das Haus.
Sie wollte nicht, dass man sie sah. Der Tod des Engländers würde Staub aufwirbeln, und die Polizei war in manchen Dingen nicht zimperlich, besonders dann nicht, wenn es sich dabei um den Mord an einem Fremden handelte. So etwas schadete dem Ruf. Auf einen guten Ruf war die Insel angewiesen, damit die Touristen kamen.
Von ihnen lebten die Menschen hier.
Auf der Treppe lag noch immer der betrunkene Russe und schlief seinen Rausch aus. Er würde erst von der Sonne geweckt, dann zum Brunnen laufen und sich waschen.
Dieser Mann war auf einer Seite zu beneiden. Er war glücklich, er lebte sein Leben und kümmerte sich um nichts.
Gabriela kannte Abkürzungen. Sie war im Ort aufgewachsen, deshalb nahm sie auch nicht die normalen Straßen.
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