0454 - Der blutrote Zauberteppich
es euch später erklären, meine Freunde.«
»Freunde?«
Ich nickte und ging jetzt aufs Ganze. »Ja, ich bezeichne die Templer als meine Freunde.«
Der Mann ballte die Hände. »Ihr seid also doch ein Verfolgter. Und ein Templer. Wenn es stimmt, dann seid willkommen bei den letzten, die sich verkrochen haben. Unzählige unserer Brüder sind in den Verliesen zu Tode gemartert worden. Sie starben, wie sie gelebt haben. Aufrecht, denn sie schworen nicht ab. Einige haben sich retten können. Sie sind geflohen, wir aber wollen alles versuchen.«
»Was versuchen?«
»Man hat uns auserwählt, um Jacques-Bernard de Molay zu befreien.«
Für diese Erklärung hatte ich nur ein schmerzliches Lächeln übrig. Ich wußte es ja besser. Die Templer hatten es nicht geschafft, ihren Anführer vor den Flammen des Scheiterhaufens zu bewahren, aber ich hielt den Mund, da ich sie nicht enttäuschen wollte und auch nicht in den Lauf der Historie eingreifen konnte.
»Das ist ein guter Vorsatz«, erwiderte ich statt dessen. »Nur kann ich mir schlecht vorstellen, wie ihr ihn aus den Verliesen herausholen wollt. Ich wüßte keinen Weg.«
Der Templer nickte. »Das kann ich mir denken. Ihr kommt von weit her, seid fremd in Paris, aber es sind Dinge geschehen, die man so einfach nicht erklären kann.«
»Versucht es trotzdem.«
Der Mann nickte. »Ja, ich schenke Euch Vertrauen. So wie Ihr uns auch Vertrauen geschenkt habt. Jacques-Bernard de Molay war ein mächtiger Mann. Er hat uns geführt. Er war derjenige, der in das Land der Ungläubigen einfiel und mithalf, Jerusalem zu befreien. Vieles aus dieser Stadt und deren Umgebung hat er mitgebracht. Schätze des Morgenlandes, unter denen sich auch ein Teppich befand.«
»Ein fliegender?«
»Ja, es stimmt.«
»Diesen Teppich…« Ich verschluckte den Rest und formulierte die Antwort anders. »Von ihm habe ich bereits gehört.«
»Dann wißt Ihr sicherlich auch, was wir vorhaben.«
»Ich kann es mir höchstens zusammenreimen.«
»Das braucht Ihr nicht. Ich will es Euch sagen. Meine Freunde und ich, so schwach wir auch sind, werden uns noch in dieser Nacht aufmachen und den Teppich suchen. Er ist ein magischer Teppich, ein Zauberteppich, und nur durch ihn können wir unseren Anführer befreien, bevor ihn die Flammen des Scheiterhaufens erfassen. Habt Ihr nun begriffen, John Sinclair?«
»Das habe ich in der Tat.«
»Deshalb möchte ich Euch, den Kräftigen und Mutigen, die Frage stellen, ob Ihr uns bei unserer so schweren Aufgabe behilflich sein wollt. Kommt mit uns!«
Noch immer brachte ich es nicht übers Herz, den Templern zu erklären, wie sich der Lauf der Geschichte entwickeln würde. Durch ihre Erklärung hatten sie mir gleichzeitig eine Chance gegeben, denn ich war ebenfalls daran interessiert, den Teppich zu finden. Schließlich hatte er mich in diese Zeit gebracht. Und wahrscheinlich konnte er mich auch nur zurückbringen.
»Ihr zögert?«
»Nein, mein Freund, ich zögere nicht länger. Ich habe nur nachgedacht. Ein Mann muß nachdenken und sollte in dieser schrecklichen Zeit nichts überstürzen.«
»Das ist sehr weise gesprochen.«
»Ich bin dabei.«
»Dafür danke ich Euch, mein Freund.« Der Templer kam auf mich zu und hielt beide Arme ausgestreckt. Auf seinen ausgemergelten Zügen lag ein feines Lächeln. Ich war mir sicher, daß dieser Mann es ehrlich mit mir meinte.
Der Druck seiner Hände war kräftig. Meine Worte schienen ihm Mut gegeben zu haben.
Nur wußte ich seinen Namen noch nicht, und ich fragte ihn danach. Er trat einen Schritt zurück, legte den Kopf schief, wobei ein verlorenes Lächeln über seine Lippen zog. »Meinen Namen werde ich dir nennen. Vielleicht hast du schon von mir gehört oder von meinem Geschlecht. Es ist kaum zu erklären, einfach unfaßbar, was geschehen ist, und manchmal schäme ich mich für meinen Namen. Ich bin Bertrand de Valois!«
Er hatte die letzten Worte lauter gesprochen, so daß sie wie ein Echo durch die Höhle hallten. Und ich kam mir dabei vor, als hätte man mir den Boden unter den Füßen weggezogen.
Bertrand de Valois!
Ein de Valois!
Einer aus diesem Geschlecht, aus dem auch Hector de Valois einige Zeit später stammte, der wiederum zu den Templern gehörte und in mir wiedergeboren war. Der einmal mein Kreuz besessen hatte, wie auch Richard Löwenherz und andere.
Der Templer sah mir meine Überraschung und auch Verwunderung an. Er schüttelte leicht den Kopf. »Ist es schlimm für Euch, diesen Namen zu
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