0454 - Tal der Skelette
als der Schatten in seinem angeschlagenen Zustand.
»Wohin?« fragte Ombre.
»Du kennst dich hier aus, Bruder. Wir brauchen ein Taxi. Wohin wenden wir uns also?«
»Das darf doch nicht wahr sein«, murmelte Ombre. »Du entführst mich, und ich soll den Weg angeben?«
»Keine Entführung. Eine Einladung«, sagte der Fremde. »Ich habe auch einen Namen. Vielleicht möchtest du ihn wissen. Roger Brack.«
»Du bist verrückt, Roger Brack«, sagte Ombre.
»Und du verletzt. Ich sehe es trotz der schlechten Beleuchtung. Beschaffe uns ein Taxi, dann reden wir weiter. Hast du auch einen Namen, Bruder?«
»Manchmal«, sagte der Schatten leise. »Einige nennen mich l'ombre .«
Es kam keine Reaktion, nur ein leichter Druck auf Ombres Schulter. Der Neger setzte sich in Bewegung. Etwas am seltsamen Verhalten des anderen machte ihn neugierig.
Er wunderte sich dann nicht, daß das Taxi sie in eine der vornehmeren Straßen Baton Rouges brachte. Vor einem Bungalow stiegen sie aus. Ombre kannte diese Gegend. Er kannte ganz Baton Rouge wie seine Westentasche. Selbst rund achtzig Quadratkilometer Fläche mit all ihren Straßen und Gassen und Häusern ließen sich im Laufe eines fast dreißigjährigen Lebens kennenlernen.
»Du wohnst feudal, Bruder«, sagte Ombre, als sie das Haus betraten. »Bei Gelegenheit könntest du mir mal verraten, worüber wir reden wollen.«
»Könnte sein, daß du mir das Leben gerettet hast, Schatten«, sagte Brack. »Da drüben ist das Bad. Leck deine Wunden. Was trinkst du?«
»Alles, worin kein Alkohol ist«, sagte Ombre, der gern einen klaren Kopf bewahrte. Was auch immer dieser Brack von ihm wollte - Ombre blieb mißtrauisch. Er ahnte zwar, daß er es mit dem Besitzer des gesprengten Cadillac zu tun hatte, und dessen Bemerkung eben verstärkte diesen Verdacht noch, aber er wollte erst einmal abwarten und sehen.
Hier hatte er natürlich weit bessere Möglichkeiten, sich zu säubern. Die Schürfwunden bluteten nicht mehr. Ombre desinfizierte und verpflasterte sie und überlegte, ob er nicht aus dem Fenster steigen sollte. Aber dann ließ er es. Er wußte sich zu wehren, und der Mann hatte sicher einen triftigen Grund, ihn hierher zu holen. Rache für den Autodiebstahl? Nein. Etwas anderes war im Spiel. Aber was?
Als er das Wohnzimmer betrat, hatte er Gelegenheit, diesen Roger Brack eingehender zu mustern. Der Mann war elegant gekleidet, hochgewachsen und mußte Mitte der Vierzig sein. Gläser und Getränke standen auf einem flachen Glastisch.
»Du bist ein Autodieb, Bruder«, sagte Brack.
Ombre schwieg.
»Warum hast du ausgerechnet mein Auto genommen?« fragte Brack.
»Vielleicht bin ich scharf auf eine Feuerbestattung.«
Brack lachte leise. »Kaum. Du bist ein Überlebenskünstler. Das sehe ich dir einfach an. Du hast einen Wunsch frei - wenn du das Auto nicht genommen hättest, wäre ich damit in die Luft geflogen. Aber trotzdem würden mich die Hintergründe interessieren.«
Ombre ging auf einen der Sessel zu und ließ sich auf der Armlehne nieder. »Keine Hintergründe«, sagte er. »Einfach nur so.«
»Das glaube ich nicht.«
»Warum nicht? Der eine klaut Radios, der andere ganze Autos. Der eine VW Rabbit und BMW oder Porsche, der andere halt Cadillac.«
»Mann, ich will dir nicht an den Kragen«, sagte Brack. »Vergiß dein Mißtrauen. Ich will Informationen. Du bist verflixt schnell ausgestiegen. Ich hab's noch gesehen. Was hast du entdeckt? Die Bombe?«
Ombre nickte.
»Was war das für ein Ding? War das Fahrzeug offen? Hast du vielleicht vorher schon irgend etwas bemerkt, das deinen Verdacht nachträglich erregen könnte? Wer ein Auto stiehlt, der schaut es sich immerhin vorher genau an.«
»Dann bin ich die Ausnahme«, sagte Ombre. »Nein, Bruder. Ich habe nichts bemerkt. Ich danke dir, daß ich mich hier verpflastern durfte. Nett, dich kennenzulernen. Bis irgendwann mal…«
»Warte«, bat Brack leise. »War der Wagen offen oder verschlossen?«
Ombre zuckte mit den Schultern. »Verschlossen. Aber ich kann nicht garantieren, daß alle Türen zu waren. Ich habe nicht nachgesehen, habe es nur bei der Fahrertür versucht.«
Plötzlich begriff er, worauf - Brack hinauswollte. »Du meinst…?«
Brack erhob sich. »Sieht so aus, nicht wahr? Das war kein normaler terroristischer Anschlag. Da wollte mich jemand ganz gezielt erledigen - jemand, der aus dem inneren Kreis kommt.«
»Innerer Kreis…?« echote Ombre. »Was soll das heißen? Allmählich frage ich mich, ob ich hier
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