0456 - Gedungen und zum Mord bestellt
Kinnspitze. Der Bursche stöhnte auf.
Auf diesen Augenblick hatte der andere gewartet. Er sprang hoch und hielt mir eine Pistole vor die Augen. Auf der Mündung klebte ein Schalldämpfer.
»Na, willst du nicht doch besser aufgeben?« fragte er höhnisch, »die Kanone ist entsichert, und das Haus ist leer bis auf die einundzwanzigste Etage. Niemand wird den Schuß hören — auch du nicht mehr.«
Ich sah die Mordlust in den Augen des Burschen aufleuchten und gab nach.
Es dauerte nicht lange, bis die beiden mich wie ein Paket verschnürt und mir ein Taschentuch als Knebel in den Mund gesteckt hatten. Auf den Gedanken, mir die Pistole auf der Halfter zu nehmen, kam keiner von ihnen. Sie packten mich auf die Ladefläche des Lieferwagens. Die restlichen Schuhkartons verschwanden im Innern des Wolkenkratzers.
Ich mußte eine günstige Gelegenheit abwarten.
Der Gangster mit den Schaufelhänden klemmte sich hinters Steuer, während Charly dafür sorgte, daß ich nicht von der Ladefläche herunterrollte, denn die Klappe war nicht geschlossen. Der Gangster hockte auf einem provisorischen Sitz, ohne den Blick von mir zu wenden. Ging der Wagen in eine Rechtskurve, rollte ich um meine eigene Achse in die entgegengesetzte Richtung. Bremste der Bursche scharf, rutschte ich etliche Fuß über die Ladefläche in Richtung Fahrerhaus.
Längst hatte ich die Orientierung verloren. Zeitweise glaubte ich, die Burschen kreisten mit mir nur um den Häuserblock, um mich in die Irre zu führen. Nach einer halben Stunde aber wußte ich, daß diese Irrfahrt ein bestimmtes Ziel hatte.
Ehe ich etwas von der Hafengegend sah, witterte ich den Seegeruch, der mir in die Nase stieg. Wollten die Gangster mich in den Hudson oder den East River werfen? Hatten sie Auftrag von ihrem Boß, jeden Störenfried auszuschalten? Oder waren das die Gorillas, die Palmese uns nach der Besprechung auf den Hals gehetzt hatte? Dann war die Lösung einfach. Die Burschen hatten mich wiedererkannt und führten nun den Befehl ihres Bosses aus.
»Sperr die Ohren auf«, sagte Charly, »es ist das letzte Mal, daß du die Wellen gegen den Kai plätschern hörst.«
Der Lastwagen stoppte. Ich rutschte einige Zoll nach vorn und blieb bewegungsunfähig auf der Seite liegen.
»Du brauchst keine Angst zu haben, Schnüffler«, begann Charly seine tröstlichen Reden, »wir werfen dich nicht in den Hudson.«
Der Hudson lag also vor mir.
»Du würdest ertrinken, aber nach wenigen Tagen wieder an der Oberfläche schwimmen. Wir haben ein Spiel ausgetüftelt, das viel interessanter ist. Man wird dich in den ersten acht Tagen nicht finden. Du brauchst keine Hoffnung zu haben, daß es jemandem gelingt, dich zu retten. Ich vermute, daß dir auf diese Art und Weise ein für allemal die Lust am Spionieren verlorengeht. Du möchtest sicher gern wissen, was in den Schuhkartöns steckt?«
Er genoß den Triumph. Außerdem war es ihm eine Wohltat, mit seinen Gangsterstücken prahlen zu können.
»Weißes Pulver enthielten die Kartons, fein verpackt in kleinen Tüten«, fuhr er fort, »aber es ist kein Backpulver, old boy. Eine Menge Leute geben täglich dreißig Dollar dafür aus — erstklassiges Heroin. Es ist schade, daß du stirbst, ohne es je versucht zu haben. Ich sehe dir auf zehn Meilen Entfernung an, daß du nicht kokst.«
Ich horchte nach draußen. Auf was warteten diese Burschen? Waren sie mit irgendwelchen Leuten verabredet, die Heroin abnahmen? Aber dafür brauchten sie die Kartons nicht in Denticos Lager zu schaffen.
Der Bursche erschien auf der Ladefläche.
»Los, beeil dich«, knurrte er, »wir brauchen den Karren nicht mehr. Der Besitzer wird sich freuen, wenn er ihn morgen früh wiederfindet.«
»Okay«, sagte Charly, »dabei hätte ich mich gern mit diesem Mister noch einige Minuten unterhalten. Er macht einen verdammt gescheiten Eindruck.«
»Präg dir sein Gesicht gut ein«, sagte der andere, »morgen oder übermorgen wird er in der Zeitung unter der Rubrik ›Vermißte‹ stehen. Los, pack an.«
Der Bursche bückte sich, faßte meine Füße und zog mich bis zur Ladeklappe. Dann sprang er hinunter. Charly war ebenfalls hinuntergehüpft und packte mit zu. Sie transportierten mich nur zwei Yard weit.
Neben dem Lieferwagen stand ein mausfarbenes Wüstenschiff, ein Chrysler. Die Klappe des Kofferraums war so weit geöffnet wie ein Scheunentor. Ich ahnte, was die Burschen vorhatten. Sie wollten mich in den Kofferraum sperren und den Wagen in den Hudson
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