0456 - Shao - Phantom aus dem Jenseits
hervorschälte.
Shao kam…
Suko lag da steif wie ein Brett. Er atmete nicht einmal, denn ihm näherte sich eine Person, die auf ihn so ungemein fremd wirkte. War das noch die Frau, die er einmal geliebt hatte?
Der Inspektor bekam seine Zweifel…
***
In der Tat näherte sich uns eine Tote oder eine Totgeglaubte. Es war für uns beide ein Schreck und gleichzeitig ein Gefühl, als hätte man uns den Boden unter den Füßen weggerissen.
Da schwebte jemand aus dem roten Sonnenkern, der Shao war oder sein sollte, aber längst nicht so aussah. Eine Frau war es schon, sie besaß auch die Figur der Chinesin, ebenfalls das lange Haar, aber diesen schwarzen trikotähnlichen und lackartig schimmernden Anzug hätte Shao freiwillig nie übergestreift.
Jetzt trug sie ihn, und mir kam wieder der Begriff Phantom in den Sinn, denn zu Shao gehörte auch die schwarze Halbmaske, die ihre obere Gesichtshälfte verdeckte und nur den Mund sowie die Kinnpartie freiließ.
Hinter der Maske flatterte das lange Haar im Wind und legte sich mit seinen Enden auf einen Gegenstand, der über ihre linke Schulter hervorragte und so aussah wie ein Köcher.
Dazu gehörte auch der Gegenstand, den Shao in der rechten Hand trug.
Es war eine Armbrust.
Als meine Blicke diese Waffe, auf deren Vorderseite eine rote Sonne glühte, trafen, ging mir ein ganzer Kronleuchter auf. Bisher hatten wir nicht herausfinden können, wer die Pfeile abgeschossen hatte. Nun wusste ich es. Shao war dieses Mord-Phantom gewesen.
In meinem Innern vereiste etwas. Ich bin Polizist und konnte in diesem Augenblick nicht anders, als in Shao eine heimtückische Mörderin zu sehen. Schon einmal hatte ich so etwas Ähnliches mit einer Frau namens Jane Collins erlebt.
Sollte sich das bei Shao wiederholen?
Trotz der Kühle schwitzte ich, weil ich innerlich so aufgewühlt war.
Neben mir stand Sheila wie eine Statue. Sie bewegte nicht einmal ein Augenlid, starrte gegen die rote Sonne der Göttin und sah, ebenso wie ich, wie Shao das Zentrum verließ.
Sie ging einfach vor und stand plötzlich auf dem Hügel. So einfach konnte manchmal ein Dimensionssprung sein.
Als sie den Mund zu einem Lächeln verzog, wussten wir beide, dass sie es tatsächlich war. So hatten Sheila und ich sie des Öfteren lächeln sehen. Aber mir war auch klargeworden, obwohl mir der schlüssige Beweis letztendlich fehlte, dass Shao kaum mehr so werden würde, wie sie einmal gewesen war. Die Vergangenheit oder die Abstammung hatten sie endgültig eingeholt.
Ich senkte den Kopf, hob ihn wieder an und atmete tief ein. Gleichzeitig begann Shao zu sprechen. »Ich grüße euch, meine Freunde! Ich freue mich, dass ihr Myxins Botschaft gefolgt seid. Ich habe mit ihm einen telepathischen Kontakt aufgenommen, weil ich bei ihm sicher sein konnte, dass er Sheila die Botschaft ausrichtet. Und es gelang mir, dir, John Sinclair, das Leben zu retten. Der Mann mit der Peitsche hätte dir das Genick gebrochen.«
»Danke«, erwiderte ich frostig. »Du hast Sukos Geist gut geleitet, aber du hast auch getötet.«
»Die Artisten, meinst du?«
»Nicht nur die. Auch die Lady…« Mit der freien Hand vollführte sie eine abweisende Bewegung. »Sie waren keine Menschen. Sie gehörten einer anderen Macht an. Deshalb hatten sie den Tod verdient. Auch du bist kein Heiliger, John Sinclair. Soll ich dich daran erinnern, wie viele Dämonen schon auf dein Konto gegangen sind? Ich glaube nicht, dass ich sie alle aufzählen könnte.«
Da hatte sie recht. Aber ich sah die Sache anders, wollte es ihr erklären, doch Shao ließ mich nicht zu Wort kommen. »Im Prinzip haben wir die gleiche Aufgabe übernommen, John. Deshalb solltest du dich nicht beschweren und mich mit anderen Augen ansehen. Außerdem wird es dir Suko erklären können.«
»Suko?« echote ich. »Er ist…«
»Nicht tot, mein lieber John. Ich schoss zwar auf ihn, aber wie so oft im Leben kommt es auf die Dosis an. Ich habe diesen Pfeil, der Suko traf, genauestens präpariert. Er sah zwar aus wie tot, aber er befand sich in dem gleichen Zustand wie Lady Danford, als sie im Grab lag und ihr Geist auf die lange Reise ging, um mich zu treffen. Das alles wird dir Suko noch näher erklären können.« Shao drehte den Kopf. »Und nun zu dir, meine liebe Sheila…«
»Ja…?«
»Du weißt, dass wir uns immer gut verstanden haben. Ich war oft bei dir, du hast mir über manch schwere Stunde hinweggeholfen. Deshalb bat ich gerade dich als Zeugin hierher, um ebenfalls zu sehen,
Weitere Kostenlose Bücher