0456 - Shao - Phantom aus dem Jenseits
schwankte die Sonne, denn ich hatte die Person erkannt, und auch Sheila war es so ergangen.
Sie hatte sich nicht so gut in der Gewalt wie ich, denn sie schrie plötzlich den Namen.
»Shao!« brüllte sie. »Mein Gott, es ist Shao…!«
***
Suko hatte nichts mehr mitbekommen. Das letzte, was er noch spürte, war der Schlag in den Rücken gewesen. Nicht einmal Schmerz hatte er verspürt. Für ihn waren schlagartig die Lichter ausgegangen, und auch sein Gedächtnis war nicht mehr vorhanden gewesen.
Der große Schlaf hatte ihn überfallen. Der ewige Schlaf…
Und doch gibt es Kräfte, die nicht damit einverstanden sind, wenn Menschen sterben. Diese Kräfte lauern im Verborgenen, sie beobachten, sie wissen Bescheid, und sie handeln auch dementsprechend.
Bei Suko war es nicht anders. Was für einen Menschen so aussah, als wäre das Leben entwichen, hatte alles seinen Sinn und gehörte zu einem gewaltigen Plan.
Wie Suko, dessen Geist und Seele plötzlich aus den fernen Tiefen wieder in die Höhe stieg. Er fühlte sich, als hätte er die Hälfte seines Lebens verschlafen.
Ihm ging es nicht schlecht. Er lebte. Er konnte fühlen, schmecken, riechen und atmen. Aber er befand sich nicht mehr auf der normalen Welt, man hatte ihn in eine andere Sphäre geschafft, in der jedoch Leben vorhanden war, denn er hörte eine Stimme.
»Suko…«
Ein ferner Ruf. Leise, irgendwie klagend und auch verwehend. Aber der Chinese hatte ihn vernommen. Trotzdem rührte er sich nicht, denn er konnte nicht erkennen, ob er lag, saß oder stand.
Die Dimensionen hatten keine Geltung mehr für ihn. Sie waren aufgehoben. Vielleicht trieb er zwischen ihnen, war zu einem Wanderer zwischen den Zeiten geworden, und ein zweiter Ruf wehte ihm aus der Finsternis entgegen.
»Suko…«
Der Inspektor konzentrierte sich. Es gelang ihm sehr leicht, denn seine Gedanken waren nicht beeinflusst worden. Er öffnete den Mund und rief die Antwort.
»Ja, ich bin hier.«
»Und ich habe dich geholt…«
Suko begann zu überlegen. Schon beim ersten Ruf war etwas in ihm angeklungen. Gleichzeitig hatte ihn eine starke Hoffnung durchzuckt.
Aber das hatte nicht sein können. Diejenige Person, die seinen Namen rief, war doch tot. Sie konnte nicht mehr sprechen. Wenn überhaupt, war es ihr nur möglich, auf telepathischem Wege mit ihm Kontakt aufzunehmen und sich in seine Gedanken einzuschalten.
»Shao…?«
»Ich bin es!«
»Aber du bist…«
»Tot, meinst du?«
»Ja…«
Da lachte Shao. Suko durchfuhr es wie ein Stromstoß. Mein Gott, dieses Lachen kannte er. Er hatte sich so daran gewöhnt. Er hatte es immer geliebt. Ohne es zu merken, ballte er seine Hände zu Fäusten, wobei er die Fingernägel spürte, die in das Fleisch seiner Handballen stachen.
Sie war es wirklich.
»Ich habe dich tot auf dem Stein liegen sehen. Ondekoza und seine grausamen Vasallen haben dich durch ihre schaurige Folter vernichtet. Du kannst nicht leben…«
»Ich lebe aber!«
»Nein, ich sehe dich nicht. Wieso lebst du?«
Wieder lachte Shao perlend. »Ich habe dich in diese Welt geholt, um dir zu zeigen, dass ich nicht tot bin. Aber du hattest gefragt, wieso ich lebe. Auch dafür habe ich eine Antwort. Sie besteht aus einem Wort und heißt Amaterasu.«
Suko war nicht einmal überrascht, als der Name der Sonnengöttin fiel. Er fragte nur: »Ist sie denn so stark?«
»Ja«, erwiderte die Stimme der Chinesin. »Sie nahm mich in Schutz. Sie sorgte dafür, dass der Plan des Ondekoza nicht ganz in Erfüllung gehen konnte. Obwohl ihre Macht beschränkt ist, setzte sie ihre Kräfte dagegen, und sie war es auch, die mich in ihr Reich entführte, als ich auf dem Stein gelegen habe.«
»Als Tote?« fragte Suko. »Ich habe dich doch gesehen. Du warst tot, du hast nicht geatmet…«
Ihr Lachen klang wie früher. »Muss ich dir sagen, dass die Göttin gewisse Mittel kennt, um Menschen zu täuschen? Nicht nur sie kannte dieses Mittel. Es gab einen Mann, der hat damit experimentiert, ein Lord, der seine Frau begrub und sie später wieder aus dem Grab hervorholen ließ. Der Geist dieser Lady ging ebenfalls auf die lange Reise und traf mich im Reich der Sonnengöttin. Deshalb hat sie auch meinen Namen erwähnt, was dich und auch John Sinclair so überraschte. Du wirst dich daran erinnern, es liegt noch nicht lange zurück. Du hast etwas geahnt, und du hast voller Verzweiflung versucht, mich durch den Würfel zu finden. Jetzt bin ich in deiner Nähe, Suko.«
»Dann zeige dich!« schrie der
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