0458 - Eine Frau regiert die Unterwelt
Ihnen helfen, weil Sie mir auch geholfen haben.«
Die Ruhe des Chinesen zerrte an meinen Nerven. Aber ihn zu drängen, nützte gar nichts.
»Der Mann, den Sie suchen, ist bei Fu Yen. Er hat ein Speiselokal und ein schmutziges Haus für viele Gäste.«
Ich ließ mir das Haus genau beschreiben. Es lag in einer schmalen Seitengasse, die zur Mulberry Street führte.
»Aber passen Sie auf«, warnte mich Ho Wan. »Fu Yen ist ein gefährlicher Mann. Man sagt von ihm, dass er früher Menschenhandel getrieben hätte.«
Ho Wan ließ mich durch einen Nebenausgang auf die Straße. Ich ging zu meinem Wagen und wartete auf Nick.
Nach zwanzig Minuten kam er. Er schien außerordentlich gut aufgelegt zu sein, was ich den Drinks zuschrieb, die er inzwischen auf Spesen konsumiert hatte.
»Nichts«, sagte er, aber es schien ihm wenig auszumachen.
Ich verständigte unsere Dienststelle von unserem Vorhaben, um für alle Fälle gesichert zu sein.
Dann verstaute ich das Telefon wieder.
Wir hatten eine Weile zu tun, bis wir über die für eine Haussuchung notwendigen Dokumente verfügten. Aber der zuständige Richter ließ sich überzeugen und zögerte nicht lange.
Es war noch hell, als wir schließlich von der Mulberry Street kommend in die schmale Gasse einbogen, in der das Haus liegen sollte.
***
Es war eines jener seltsamen Häuser, von denen man nicht wusste, wo sie anfingen und wo sie aufhörten.
Verblichene, unansehnliche Lampions hingen über der torbogenartigen Einfahrt. Im Hausflur roch es nach ranzigem Öl, billigem Fusel und Räucherwerk.
Auf der linken Seite führte eine Tür zum Speiselokal, aus dem gedämpftes, aber seltsam hohes Stimmengewirr herausklang.
Wir schlichen weiter und kamen am Ende des Flures zu einer einfachen Brettertür.
Dahinter stieg eine schmale Treppe zu den oberen Stockwerken empor. Die ausgetretenen Stufen knarrten beängstigend, und wir wunderten uns, dass uns noch niemand begegnet war.
Wir kamen zu einem langen Korridor, der nur durch eine trübe Ölfunzel spärlich beleuchtet wurde.
Tür reihte sich an Tür.
»Wo sollen wir anfangen?«, flüsterte Nick leise. »Wenn man uns nicht vorher den Schädel einschlägt, brauchen wir die ganze Nacht, ehe wir alle Zimmer durchgekämmt haben. - Was meinst du, Jerry, sollen wir nicht doch ein paar Kollegen herholen und das ganze Gebäude umstellen lassen?«
Ich schüttelte den Kopf. »Wir würden nichts finden«, gab ich ebenso leise zurück. »Das ist ein Fuchsbau. Und bei groß angelegten Razzien ist in solchen Häusern nur selten etwas herausgekommen.«
Ich drückte auf die Klinke der mir am nächsten liegenden Tür, während Nick den Gang unter Beobachtung hielt.
Wir sahen ihn beide nicht. Er stand so plötzlich vor uns, als ob er aus der Wand hervorgetreten wäre.
Seine Hände steckten in den weiten Ärmeln seines chinesischen Gewandes. Er war breit und groß, viel größer als Nick und ich.
»Hier alles privat«, sagte er lächelnd. »Ich werde führen, unten gutes Essen.«
Wir verständigten uns mit einem kurzen Blick.
Ich ließ die Klinke los, drehte mich um und wollte den Hausdurchsungsbefehl aus der Tasche ziehen. Nick trat einen Schritt zur Seite, um mich an sich vorbeizulassen. Im gleichen Augenblick blitzte in jeder Hand des Chinesen ein Dolch auf. Ich sah das Funkeln in den starren gelbgrauen Augen und wusste, dass uns der Mann töten wollte. Er war schnell wie ein Blitz, aber wir waren flinker. Wir sprangen gleichzeitig.
Während Nick dem Chinesen beide Fäuste in den Magen stieß, führte ich einen kurzen Hieb nach seinem Kopf.
Bevor der Chinese zusammenbrach, fingen wir ihn auf. Die Dolche klirrten zu Boden.
Ich durchsuchte seine Taschen und fand einen Bund mit Schlüsseln. Ich probierte sie nacheinander aus, bis ich den richtigen erwischt hatte.
Wir schleiften ihn in eine dunkle Kammer und schlossen die Tür.
»Was machen wir mit ihm?«, schnaufte Nick.
»Er scheint eine Art Wächter zu sein. Wenn wir Glück haben, ist er der einzige.«
»Optimist«, grinste Nick. »Überlege mal - das Haus hat mindestens vier Stockwerke mit vielleicht jeweils zehn Zimmern. So kommen wir nicht weiter, Jerry.«
Aber ich wollte von einem Großeinsatz nichts wissen.
»Warten wir, bis er zu sich kommt«, sagte ich. »Vielleicht erzählt er uns einiges.«
»Ein Chinese?«, fragte Nick zweifelnd. »Von denen erfährst du nichts.«
»Warte es ab«, sagte ich lächelnd. »Gerade der hier wird schneller reden, als du glaubst. Immerhin
Weitere Kostenlose Bücher