0458 - Eine Frau regiert die Unterwelt
Streifenwagen ein. Hinter der Pennsylvania Station kam ich auf zweihundert Yards heran. Aber da fuhr mir ein Wagen, der aus einer Seitengasse kam, direkt vor den Bug. Ich trat auf die Bremse und konnte ihm mit knapper Not ausweichen. Hinter mir hörte ich heftiges Hupen und den schrillen Pfiff eines Verkehrspolizisten. Aber da war ich schon vorbei.
Scheinwerfer blitzten mir entgegen, bremsend und gleichzeitig das Gaspedal benützend, preschte ich durch den nächtlichen Verkehr.
An einer Kreuzung standen dicht gedrängt die Autos, die auf grünes Licht warteten. Mit Hupe und Sirene schobich mich auf die andere Fahrbahn und fegte über die Kreuzung.
Unaufhörlich brabbelten im Lautsprecher die Stimmen der Verkehrspolizisten in -den Streifenwagen. Am Duffy Square bog der schwarze Wagen zum Broadway ab. Jetzt konnte ich erkennen, dass es ein Pontiac war. Es war aussichtslos für Lucia Clements, denn eben kam die Meldung, dass alle Straßen östlich und westlich des Broadwayß gesperrt waren.
Am Columbus Circle musste ich sie erwischen.
Und da passierte es.
Ich sah, wie die linke vordere Stoßstange des Pontiac gegen einen querstehenden Streifenwagen stieß. Rote Funken stoben hoch wie das Feuerwerk am vierten Juli.
Der Pontiac drehte sich um seine eigene Achse, dann prallte er gegen den Rinnstein und legte sich auf die Seite.
Dicht dahinter brachte ich den Jaguar zum Stehen.
Ich sah Lucia Clements aus dem umgestülpten Pontiac herauskriechen und in den Central Park hineinlaufen.
»Bleiben Sie stehen!«, rief ich laut.
Aber sie beachtete mich nicht und lief noch schneller.
Als ich Ihr nachstürzte, hörte ich hinter mir einen donnernden Knall und warf einen schnellen Blick über die Schulter.
Der Pontiac stand in Flammen. Eine orangerote Feuerzunge entfaltete sich wie ein Pilz.
Lucia Clements war gerade noch zur rechten Zeit entwischt.
Ich blickte zurück, sah aber niemand hinter mir herlaufen.
Die Beamten der Streifenwagen hatten alle Hände voll zu tun, um Neugierige von der Unfallstelle fernzuhalten.
Halbrechts vor mir hörte ich ein leises Rascheln und fuhr herum. Dann kam ein Stöhnen, das wie ein Schluchzen klang.
»Kommen Sie heraus, Mrs. Clements, mit Ihnen ist es aus«, sagte ich.
Mir fiel ein, dass sie wahrscheinlich eine Waffe bei sich trug.
Ich lockerte meine Pistole und stellte mich neben einen Baum.
»Kommen Sie heraus, Mrs. Clements«, wiederholte ich noch einmal.
Hinter den Büschen hörte ich ihre keuchende Stimme: »Ich bin verletzt.«
»Ich bin untröstlich«, sagte ich und wippte auf den Fersen nach vorn, die Pistole im Anschlag.
»Mein Arm und meine Schulter… holen Sie einen Arzt.«
Aber das fiel mir nicht im Traum ein. Ich wollte mich nicht noch einmal überlisten lassen.
Ich suchte im Gras nach einem Stein und warf ihn an dem Gebüsch vorbei, sodass er die Zweige gerade noch streifte.
Fast in der gleichen Sekunde bellte ein Schuss auf.
Ich merkte mir, von wo das Mündungsfeuer kam.
Ich schlich seitlich an sie heran.
Und dann sah ich sie im Mondlicht sitzen, die Pistole schussbereit in der Hand.
Sie drehte sich zu spät um.
Mit einem Fußtritt schlug ich ihr die Waffe aus der Hand. Sie stöhnte vor Schmerz und sah zu mir auf.
Ihre Augen funkelten so kalt wie immer.
Sie trug einen dunkelblauen Mantel, der an der Achsel zerrissen war.
Ich hob die Pistole auf und stecke sie ein. Erst jetzt sah ich, dass ihr linker Arm schlaff herabhing.
Langsam stellte ich sie auf die Beine und führte sie aus dem Gebüsch heraus.
***
Der Prozess gegen Lucia Clements, Jay Burks und William Sullivan wirbelte viel Staub auf.
Die Zeitungen berichteten vierzehn Tage lang in Schlagzeilen über seinen Verlauf.
Sullivan kam verhältnismäßig billig davon.
Lucia Clements hatte noch einmal eine große Schau. Sie rekonstruierte ihr Verbrechen mit minutiöser Genauigkeit. Sie gab auch zu, dass sie ihren Stiefvater durch den Gorilla umbringen ließ. Diesen Mord hätte man ihr ohne Geständnis nur schwer nachweisen können.
An einem trüben Herbsttag bestiegen die Stiefgeschwister nacheinander den elektrischen Stuhl.
Während Jay Burks vorher zusammenbrach, blieb Lucia Clements so gefasst und kalt, wie sie immer gewesen war.
ENDE
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