0459 - Geheimwaffe Ghoul
ihnen. Kaum hatte sie uns entdeckt, als sie blaß wurde, hastig auf die Männer einsprach und auf uns zeigte.
Einer kam uns entgegen. Er war kleiner als ich, hatte sein blondes Haar nach hinten gekämmt und rückte die helle Hornbrille zurecht.
Er sprach Englisch und wollte wissen, wer wir waren.
»Ich wohne hier.«
Der Mann schaute mich an. »Zusammen mit diesem Chinesen, wie ich gehört habe.«
»Ja, ein Kollege von der Zeitung.«
»Welche ist es?«
»Daily Mirror.«
Sein Kollege schrieb mit, während er mich fragte: »Sie wissen nicht zufällig, wo sich Ihr Kollege jetzt aufhält?«
»Nein, wir wollten uns hier treffen. Ich bin ein wenig herumgefahren, weil ich auch über das Land schreiben wollte.«
»Darf ich Ihre Ausweise sehen?« Der Beamte blieb ausgesprochen höflich und studierte die Dokumente genau. »Ah, Sie sind Amerikaner«, sprach er Mark an.
»Stört Sie das?«
»Nein, ich stellte es nur fest.« Wir bekamen die Papiere zurück und wollten endlich wissen, was geschehen war.
Der isländische Kriminalbeamte ließ sich Zeit. Er zündete sich zunächst eine filterlose Zigarette an und schaute den blaßgrauen Rauchkringeln nach. »Mein Name ist übrigens Gunnarsson.«
»Okay.«
Er lächelte. »Sie haben Ihren Kollegen also nicht gesehen?«
»Das erklärte ich Ihnen bereits.«
Er schaute mich aus schmalen Augen an, die hinter den Gläsern der Brille wie zwei dunkle Sicheln wirkten. »Sie haben auch nichts gerochen, oder?« Die Frage galt uns beiden.
»Was gerochen?« fragte Mark zurück.
»Zeugen sprechen von einem infernalischen Geruch. Grabgestank. Moder und Verwesung. Solche Begriffe sind gefallen.«
»Nein. Mr. Gunnarsson, wir sind eben hier eingetroffen.«
»Hm.« Er nickte sich selbst zu. »Und haben natürlich nicht die Spuren der Geschosse auf der Straße gesehen.«
»So ist es.«
»Es wurde geschossen. Aus einem fahrenden Wagen heraus. Auf Ihren Kollegen feuerte man, der sich neben einem schräg auf der Straße stehenden Opel Ascona aufhielt. Jemand hatte beobachtet, wie er mit einer Peitsche auf eine quallenartigen Gestalt einschlug. Sie muß dann eingetrocknet sein. Jedenfalls fanden wir noch kristalline Spuren. Wir werden sie untersuchen lassen. Ja, dann ist Ihr Kollege einfach mit dem Wagen verschwunden, nachdem man auf ihn schoß, ihn aber nicht traf. Wir haben die Kugeln gefunden. Einer meiner Mitarbeiter ist Spezialist. Er wußte sofort, aus welch einer Waffe die Geschosse stammten. Es war eine russische Pistole. Merken Sie plötzlich, wie das Netz einen Namen bekommt?«
»Nein.«
»Ich finde das Wort häßlich, aber ich komme nicht umhin, es zu gebrauchen: Spionage.«
»Bei uns ist nichts zu spionieren.«
Gunnarsson lachte. »Das hätte ich an Ihrer Stelle auch geantwortet. Aber mein alter Lehrmeister riet mir schon bei meinem Dienstantritt, nie einem Zeitungsmann Glauben zu schenken. Diesen Ratschlag habe ich bis heute befolgt.«
»Sehr löblich«, sagte ich. »Was sollen wir daraus schließen?«
»Ich denke noch darüber nach, ob ich Sie beide unter Arrest stellen lasse.«
»Das können Sie nicht«, sagte Mark. »Sie haben keine rechtliche Handhabe gegen uns. Schließlich befinden wir uns nicht in einem totalitären Staat.«
»Da haben Sie recht, Mr. Baxter. Allerdings müssen Sie auch bedenken, daß wir in wenigen Tagen hohen Besuch bekommen. Und da ist nun mal alles anders. Ich kann die Gesetze zwar nicht ändern, sie aber so oder anders auslegen.«
»Was wollen Sie von uns?« fragte ich.
»Aufklärung!«
»Worüber?«
»Über diesen Fall, über Ihren Kollegen, die Schießerei, eben über alles. Wenn Sie nicht reden, sehe ich mich gezwungen, andere Maßnahmen zu ergreifen.«
Ich blieb bei meiner Linie. »Wir wissen nichts.«
Die Wirtin brachte einen Ascher, und der isländische Kommissar drückte die Zigarette aus. »Dann tut es mir leid, meine Herren. Ich muß Sie leider zur Überprüfung mitnehmen.«
»Haben Sie uns nicht schon überprüft?«
Beinahe blauäugig schaute uns der Mann an. »Ja, schon, aber nicht richtig.«
Gunnarsson wirkte so naiv, aber er war durchtrieben bis in die Zehenspitzen, das merkten wir im nächsten Augenblick, als er weitersprach. »Vielleicht hätte ich Sie sogar gehen lassen, wenn Sie einen besseren Schneider gehabt hätten.«
»Wieso das?« fragte ich.
Er deutete zuerst auf mich, dann auf Baxter. »Sie beide tragen Waffen bei sich. Höchst ungewöhnlich für Reporter. Es sei denn, Sie treten nur unter der Maske des
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