046 - Der Schatten des Werwolfs
das können wir Ihnen bedauerlicherweise nicht sagen, da wir nicht wissen, was auf dem Atoll vor sich geht. Aber wir erfuhren etwas anderes, das ein bezeichnendes Licht auf Olivaro wirft. Er ist ein wenig größenwahnsinnig geworden und muss unglaublich an Coco hängen.«
Ich beugte mich ungeduldig vor, und der Dämon hob besänftigend beide Hände.
»Bewahren Sie Ruhe, Hunter!«, sagte er. »Olivaro will für Coco ein Bauwerk errichten lassen, einen gewaltigen Palast. Völlig verrückte Idee – wie wir alle finden. Durch Mittelsmänner beauftragt er im Augenblick die bekanntesten Architekten der Welt, dass sie Entwürfe vorlegen sollen. Es war reiner Zufall, dass wir davon erfuhren. Unter anderem wurden auch fünf Engländer beauftragt. Wir wissen, dass diese fünf Architekten in einigen Tagen auf Olivaros Atoll gebracht werden sollen. Und darauf fußt unser Plan. Wir suchten uns einen der Fünf aus: Ronald Chasen, ein Mann mit einem besonders labilen Charakter. Er ist für unsere Zwecke wie geschaffen.«
Ich drückte die Zigarette aus. »Ich verstehe noch immer nicht, wie Sie mich auf das Atoll bringen wollen.«
»Das liegt doch auf der Hand, Hunter«, brummte der Dämon. »Sie enttäuschen mich.«
»Sie denken doch nicht an einen Persönlichkeitsaustausch?«
»Sie haben es erraten.«
»Tut mir Leid.« Ich erhob mich. »Das ist mir zu gefährlich.«
»Ich sagte Ihnen ja, dass Sie unseren Plan erst einmal ablehnen würden. Setzen Sie sich wieder, und hören Sie weiter zu!«
Ich setzte mich. Das war Wahnsinn, was sie planten, dachte ich. Der reinste Wahnsinn. Ich wusste, dass es möglich ist, mittels Magie den Geist einer Person auf eine andere zu übertragen, aber dazu sind langwierige Vorbereitungen notwendig. Es kommt nicht selten vor, dass dabei die Person, die in den Körper eines anderen schlüpft, wahnsinnig wird.
»Es ist die einzige Möglichkeit für Sie und für uns, an Olivaro heranzukommen«, sagte der Dämon. »Wir suchten nach einem anderen Weg, doch es gibt keinen. Wie gesagt, kein Unbefugter kann die Insel betreten. Aber wenn Ihr Geist im Körper Ronald Chasens steckt, dann haben wir eine gute Chance. Sie wären in Olivaros Nähe und könnten ihn zur Strecke bringen.«
»Ich habe doch keine Ahnung von Chasens Leben.«
»Das bereitet keine Schwierigkeit. Wir können Ihnen seine Erinnerung lassen. Sie wissen dann alles, was Chasen weiß.«
»Hm«, sagte ich. »Und was geschieht in der Zwischenzeit mit meinem Körper?«
»Auf den passen wir auf. Sobald sich Ihr Geist im Körper Ronald Chasens befindet und Sie auf dem Atoll sind, können Sie sich mittels einiger einfacher Beschwörungen mit uns in Verbindung setzen. Wenn Sie das geschickt machen, kommen wir Ihnen zu Hilfe. Sie fungieren praktisch als Sender und Empfänger gleichzeitig. Olivaro fühlt sich auf dem Atoll sicher. Nur auf diesem Weg können Sie – und letztlich auch wir – hingelangen. Und das dürfte Olivaros endgültiges Ende sein.«
Der Plan hatte etwas für sich, das musste ich zugeben, doch das Risiko, das ich dabei einging, war einfach zu groß.
»Es gibt für Sie keine andere Möglichkeit, Hunter. Olivaro hat nicht die Absicht, das Atoll zu verlassen. Dort ist er unangreifbar. Zu seinen Verbündeten gehört ein mächtiger Dämon, den man als den Herrscher der Südsee bezeichnen kann. Sein Name ist Te-Ivi-o-Atea. Für uns alle ist es eher unverständlich, dass er sich Olivaro angeschlossen hat, aber er tat es. Und wir können in diesem Gebiet nichts unternehmen, was er nicht sofort bemerken würde. Denken Sie an Coco! Olivaro wird sie nicht mehr aus den Augen lassen. Und denken Sie an Ihr ungeborenes Kind! Olivaro wird alles daransetzen, damit Coco es verliert.«
»Daran denke ich die ganze Zeit«, sagte ich. »Aber Ihr Plan ist verrückt. Es wäre Wahnsinn für mich, ihm zuzustimmen.«
Die Dämonen schwiegen. Die Kerze brannte heller.
»Ich werde es mir überlegen«, sagte ich schließlich.
Ich schob den Stuhl zurück und drehte mich um.
»Wir setzen uns morgen mit Ihnen in Verbindung, Hunter. Bis dahin wollen wir Ihre Entscheidung wissen. Überlegen Sie es sich gut! Es ist die einzige Möglichkeit, Coco zu befreien.«
Ich ging aus dem dunklen Raum und fühlte mich wie betäubt. Rasch trat ich in den Hof, beachtete Alkahests Bemerkungen nicht, schwang mich hinter ihm aufs Motorrad und ließ mich nach Hause fahren.
An Schlaf war nicht zu denken. Ich setzte mich ins Wohnzimmer, nahm einen Block und Filzschreiber
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