046 - Drakula lebt
Schatten lag, und Freddies Schritte sich entfernten, kam die Angst, Lukard könnte vom Fenster aus gesehen haben, daß ich allein hier in den Büschen lag. Ich stemmte mich mühsam hoch und sah zum Klinikgebäude hinüber. Dort war alles ruhig. Erleichtert sank ich zurück. Die aufgeschürfte Haut an meinen Schenkeln brannte wie Feuer. Mit dem Schmerz fühlte ich langsam ein wenig Kraft wiederkehren.
Lukards Fähigkeit, das Sonnenlicht zu ertragen, war beängstigend. Welche Möglichkeiten lagen darin! Aber offenbar reichten sie nicht aus, daß er in den hellen Tag hinausging. Oder fürchtete er nur, von den hohen Häusern jenseits des Parks könnte jemand bemerken und mit ansehen, was sich in dem Park abspielte, wenn er mich gewaltsam ins Haus zurückschleppte?
Es war eine verteufelte Situation. Ich war ein zu gefährlicher Gegner, den sie erledigen mußten. Lukard hatte es selbst angedeutet. Ich wußte zuviel.
Am Tag mochte ich Ruhe haben. Aber nachts würde er seine Kreaturen hinter mir herschicken. Und was konnte ich dagegen tun? Er konnte seine Armee auf mich loslassen. Ein erschreckender Gedanke, der meine Schwäche und Müdigkeit beiseite drängte und eine andere Empfindung auftauchen ließ.
Angst!
Das war ein für mich recht ungewöhnliches Gefühl. Mich brachte wenig aus der Fassung, und wenn ich auch im allgemeinen nicht der Mutigste war, so gab es auch nicht viel, vor dem ich wirklich Angst hatte.
Aber hier war sie nun, die Angst. Ein beklemmendes Gefühl, das den Atem lähmte und das Herz schneller schlagen ließ.
Die Zeit drängte. Ich durfte nicht einschlafen, ich brauchte Kraft. Läppische zehn Stunden blieben mir, um mich auf die Nacht vorzubereiten. Auf eine Nacht der Rache.
Ich mußte ihnen zuvorkommen. Freddie und ich würden es schaffen! Freddies Freunde konnten uns helfen. Kowalcz und seine Typen, wenn ich ihnen auch nicht besonders sympathisch war.
Bevor der Abend kam, mußte dieses Haus brennen – wie eine Fackel.
Erleichtert hörte ich einen Wagen am Tor halten. Gleich darauf kam Freddie hereingerannt und zerrte mich hoch. „Rasch“, sagte er drängend. „Ich habe Hartwigs Männer nicht gesehen, aber wenn sie sich für uns interessieren, verlieren wir nur unnötige Zeit. Und die haben wir nicht.“
Ich nickte. Er schien sich auch seine Gedanken gemacht zu haben. Im Auto kehrte meine alte Zuversicht zurück.
„Wohin zuerst?“ fragte Freddie.
„In mein Büro“, schlug ich vor. „Ich brauche etwas zum Anziehen. Und vor allen Dingen Geld. Dann ins Zentrum. Wir werden ein paar Dinge besorgen!“
Wir kamen nicht sehr weit.
Zwei Straßen, dann versperrten uns zwei Polizisten den Weg mit gezogenen Pistolen.
„Anscheinend Hartwigs Männer“, fluchte Freddie.
Ich gab ihm keine Antwort. Etwas gefiel mir nicht an den beiden, die uns auf der Straße entgegentraten. Dann sah ich, was es war.
„Fahr durch!“ befahl ich.
„Sie werden uns abknallen!“ zögerte Freddie.
„Fahr durch!“ wiederholte ich. „Das sind nicht mehr Hartwigs Männer!“
Er verstand nicht genau, was ich meinte, aber er fühlte instinktiv die Gefahr und stieg aufs Gas. Der Motor heulte auf, streifte einen der Polizisten und schleuderte mit kreischenden Reifen. Das war unser Glück. Während Freddie sich bemühte, den Wagen wieder unter Kontrolle zu bekommen, schlugen einige Kugeln harmlos ins Blech. Dann war der Wagen auf der Straßenmitte und raste um eine der zahlreichen Kurven.
Ich atmete auf. Die erste unerwartete Hürde hatten wir geschafft.
Freddie ging auf normales Tempo zurück und stieß pfeifend die Luft zwischen den Zähnen durch. „Ziemlich knapp“, sagte er. „Was war mit denen? Haben sie unsere Nummer notiert?“
„Sie werden nichts mehr davon wissen, wenn sie aufwachen“, antwortete ich. „Ich konnte das Gesicht des einen sehen. Es war völlig teilnahmslos. Hast du sie nicht wiedererkannt? Die beiden waren am Tor und wollten in die Klinik eindringen, bevor Lukard sie auf seine Art überzeugte.“
„Hypnose“, flüsterte er bleich. „Welche Macht hat dieser Teufel über die Menschen?“
„Mehr als wir angenommen haben. Jedenfalls werden wir nicht mehr den Fehler begehen, ihn zu unterschätzen“, sagte ich grimmig.
Freddie Morton kannte mein eigentliches Büro noch nicht, meine zweite, geheime Residenz. Er war erst mal damit beschäftigt, herumzuschnüffeln, und ich ließ ihn gewähren. Schließlich stand es ihm als Mitarbeiter zu.
Ich zog mich um, nahm
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