Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
046 - Penelope von der 'Polyantha'

046 - Penelope von der 'Polyantha'

Titel: 046 - Penelope von der 'Polyantha' Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
Vom Netzwerk:
herrlicher blauer Teppich, und der ganze Raum war mit Rosenholz getäfelt. Sie sah einen hübschen, eingelegten Schreibtisch, auf dem eine silberne Leselampe stand, und einen bequemen Armsessel, von dem aus die prachtvollen Lederbände auf dem Bücherbrett leicht zu erreichen waren.
    Penelope konnte sich nicht darauf besinnen, wie sie ins Bett gekommen war. Sie war noch vollständig angekleidet, aber jemand mußte den Bund ihres Rockes gelockert und ihr die Schuhe ausgezogen haben. Es war so schön, hier zu liegen, dem monotonen Geräusch der Schiffsschrauben zu lauschen und sich leise schaukeln zu lassen, daß sie gar nicht das Bedürfnis empfand, aufzustehen. Sie war also an Bord eines großen Schiffes und wollte eigentlich nicht mehr daran denken, wie sie hierhergekommen war. Aber sie rief sich doch noch einmal furchtlos alle Vorgänge der letzten Nacht ins Gedächtnis zurück. Sie überlegte gerade, wie spät es wohl sein mochte, als über ihr die Glocke anschlug.
    Es war ein Schlag - ihrer Schätzung nach mußte es halb neun sein.
    Sie machte noch immer keine Anstrengung, sich zu bewegen, sie zog nicht einmal die seidene Steppdecke beiseite, die über ihr lag. Plötzlich klopfte draußen jemand an die Tür.
    »Herein«, sagte sie und war erstaunt, wie schwach ihre Stimme klang. Sie erwartete, die Stewardeß zu sehen, aber statt dessen trat ein Matrose in einer blauen Jacke herein, ein großer, schlanker Seemann mit dunkelbraunem Gesicht. Er sah auffallend gut aus, nur sein Benehmen erschien Penelope nicht ganz einwandfrei, denn er nahm seine runde Mütze nicht ab.
    »Ich bringe Ihnen eine Tasse Tee. Ich weiß allerdings nicht, ob Sie Zucker nehmen. Am besten hätte ich Ihnen natürlich ein Tablett mit allen Zutaten gebracht, aber es ist mir erst eingefallen, als ich schon vor der Tür stand.«
    Er stellte die Tasse sorgfältig auf den Tisch neben ihrem Bett.
    Sie hatte noch nie Matrosen gesehen, die sich so gut und vornehm ausdrückten. Seine Hände waren rauh und hart, sein Anzug ein wenig abgenützt, aber er sprach und hielt sich wie ein Gentleman.
    »Ich danke Ihnen sehr«, sagte sie und stützte sich auf ihren Ellenbogen. »Würden Sie wohl die Stewardeß bitten, einmal zu mir zu kommen?«
    »Ich bin hier die Stewardeß«, erwiderte er ernst.
    Trotz ihrer Kopfschmerzen mußte sie lachen.
    »Wer hat mich denn gestern abend hierhergebracht?«
    »Das war auch ich. Sie waren so schnell eingeschlafen, daß es unmöglich war, Sie aufzuwecken. Ich habe mir erlaubt, Sie zur Ruhe zu bringen. Wenn Sie gestatten, werde ich Ihnen jetzt das Bad bereiten.«
    Er verschwand durch eine Tür, die sie bis jetzt noch nicht bemerkt hatte. Sie hörte, wie das Wasser einlief. Nach einer Weile kam er wieder zurück.
    »Ich habe Ihre Schuhe geputzt. Es gibt an Bord alles, was Sie nur wünschen können, nur haben wir keine anderen Kleider für Sie. Wir hoffen aber, auch diese Frage später noch zu Ihrer Zufriedenheit lösen zu können.«
    »Wo bin ich denn eigentlich?«
    »Sie sind an Bord der Jacht ›Polyantha‹.«
    »›Polyantha‹!« Das war doch das Schiff, das Mr. Stamford Mills gesehen hatte! Sie erinnerte sich plötzlich daran - welch ein merkwürdiger Zufall!
    »Wenn Sie mir Nähnadel und Zwirn besorgen wollen, werde ich versuchen, mein Kleid selbst wieder in Ordnung zu bringen. Ich muß doch ein wenig repräsentabel aussehen, wenn wir in den Hafen einlaufen.«
    »Wir legen in keinem Hafen an. Es ist wohl notwendig, daß Sie das erfahren. Wir befinden uns auf einer sehr langen Reise.«
    Sie sah ihn verwundert an.
    »Aber Sie können mich doch an der Küste absetzen?«
    »Ich fürchte, daß wir nicht einmal das können«, sagte er in seiner nüchternen Art.
    »Aber ich kann doch nicht auf eine weite Reise gehen, ohne darauf vorbereitet zu sein, und außerdem -« »Sie können an Ihre Freunde ein Telegramm senden, daß Sie in Sicherheit sind.«
    Es kam ihr zum Bewußtsein, daß sie keine Freunde hatte, die auf Nachrichten von ihr warteten.
    »Habe ich geträumt, oder war es wirklich Mr. Orford, den ich gestern abend hier an Bord sah?«
    »Sie haben recht, es war Mr. Orford.«
    »Geht er denn auf diesem Schiff nach Amerika?« fragte sie erleichtert.
    »Nein, er geht überhaupt nicht nach Amerika. In diesem Augenblick geht er zum Frühstück.«
    Mit einer kleinen Verbeugung wandte er sich um und verließ die Kabine. Er schaute aber noch einmal kurz hinein.
    »Sie können die Tür zuriegeln - merkwürdigerweise ist auch das

Weitere Kostenlose Bücher