046 - Penelope von der 'Polyantha'
zusammen. »Sie können höchstens mit ihm zurückfahren, aber auch die Aussicht ist gering.«
Penelope wunderte sich über diese geheimnisvolle Andeutung. Sie konnte ja nicht ahnen, daß Mr. Orford an einen Tanker gedacht hatte, der von ihm gechartert war, um seiner Jacht auf hoher See Betriebsstoff zu liefern.
»Und nun, mein liebes Fräulein, erzählen Sie mir einmal, was alles passiert ist und wie Sie hierherkamen.« Er legte väterlich seinen Arm um ihre Schultern und nahm sie mit zu den Deckstühlen.
»Es tut mir leid, daß ich Ihrem Wunsch nicht nachkommen kann. Die Sache ist zu ernst, als daß ich sie irgend jemandem erzählen könnte, ohne auch der Polizei davon Mitteilung zu machen.«
»War es so schlimm?« fragte er und schaute sie prüfend an. »Sie haben sich jetzt auch über Mrs. Dorban zu beklagen, wie mir Bobby erzählt. Früher haben Sie sich doch über Mr. Dorban beschwert, weil er unverschämt zu Ihnen wurde. Aber das steht wohl in keinem Zusammenhang. Und Mrs. Dorban wollte Sie töten? Sie brauchen es mir nicht zu bestätigen, ich sehe es. Ich hätte niemals gedacht, daß das möglich wäre. Die Leute gehen gewöhnlich nicht so weit, höchstens einer unter zehntausend ist zum Mörder veranlagt. Und Sie haben nun gerade das Unglück gehabt, mit einem solchen zusammenzukommen. Erzählen Sie mir doch einmal, wie das alles gekommen ist.«
»Ich habe schon zuviel gesagt. Ich möchte nicht in einem Skandalprozeß vor Gericht erscheinen; auch wäre es sehr schwer zu beweisen.«
Mr. Orford nickte.
»Wenn ich Mrs. Dorban richtig beurteile, so hat sie jetzt schon vor der Polizei beschworen, daß Sie versucht hätten, sie zu ermorden. Das ist ihre Art. Hätte ich nur vorher gewußt, daß Sie im Hause der Dorbans wohnten!«
»Welchen Unterschied hätte das denn gemacht?«
Aber Mr. Orford war ebensowenig bereit, sich frei auszusprechen, wie Penelope.
Sie ging in ihre Kabine zurück und fand den netten Matrosen damit beschäftigt, ihr Bett zu machen. Er schien Übung darin zu besitzen. Sie beobachtete ihn, ohne daß er es wußte.
»Ich danke Ihnen auch schön«, sagte sie dann.
Nur für einen kurzen Augenblick war er ein wenig verwirrt.
»Ihre Kabine ist jetzt wieder in Ordnung, Miss Pitt.«
»Wie heißen Sie eigentlich?« gab Penelope zurück.
»Wie ich heiße?« wiederholte er. »Wenn ich die Wahrheit sagen soll, habe ich darüber überhaupt noch nicht nachgedacht. Wie würde Ihnen John gefallen?«
»Gut, ich werde Sie John nennen«, sagte sie vergnügt.
Er blieb an der Tür stehen.
»Wünschen Sie noch irgend etwas? Es tut mir leid, daß wir keine Blumen an Bord haben. Aber wenn Sie etwas Grünes in der Kabine haben wollen - ein wenig Petersilie haben wir im Kühlschrank. Vielleicht könnten wir Ihnen davon etwas ins Zimmer stellen -«
»Danke, ich bin auch ohne Grün zufrieden.« Penelope war ein wenig ärgerlich über die vertrauliche Art, mit der er sie behandelte. Aber gleich nachdem er gegangen war, schämte sie sich schon wieder darüber.
Zu ihrem größten Erstaunen wurde ihr die Mittagsmahlzeit in ihrer Kabine serviert. Offensichtlich wollten die anderen Passagiere nicht mit ihr zusammen speisen. John hatte allerdings eine andere Erklärung dafür.
»Man glaubt, es wäre Ihnen unangenehm, die einzige Dame bei Tisch zu sein. Nachher werden Sie übrigens den Captain kennenlernen. Er ist ein sehr netter Herr; er hat nur keinen Sinn für Humor, obwohl er aus Schottland stammt!«
Sie staunte, wie zwanglos er sich mit ihr unterhielt. Früher hatte sie immer den Eindruck gehabt, daß ein Schiffskapitän eine Respektsperson sei, von der alle Matrosen und Seeleute nur mit größter Hochachtung sprächen. Daher war sie doppelt verwundert, als sie Captain Willit sah. Er war ein streng aussehender älterer Herr, der sie unter buschigen weißen Augenbrauen hervor musterte und die erste beste Gelegenheit wahrnahm, sich wieder zu empfehlen.
Sie entdeckte, daß die ›Polyantha‹ ein Motorschiff mit verhältnismäßig kleiner Besatzung war. Verschiedene Einrichtungen und Gebräuche an Bord konnte sie nicht verstehen. Vor allem war sie über das Verhalten der Passagiere und Offiziere ihrem Steward gegenüber erstaunt. Niemand sprach mit ihm, und wenn er, wie es häufig geschah, irgendeine zufällige scherzhafte Bemerkung machte, ignorierten sie ihn. Trotzdem schien ihm die Atmosphäre, in der er sich bewegte, gut zu gefallen. Das zweite merkwürdige Mitglied der Besatzung war ein Matrose, der
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