046 - Penelope von der 'Polyantha'
schnell hinunter und sagen Sie -«
Aber es war nicht nötig, Arthur Dorban zu rufen, denn er war seiner Frau gefolgt.
»Du Dummkopf!« fuhr ihn Cynthia an. »Du hast den falschen Koffer versenkt!«
7
Nach dem schweigsam verlaufenen Abendessen ging Penelope in den Garten, um sich über die Lage klarzuwerden. Sie versuchte, hinter das Geheimnis zu kommen, das über dem Leben der Dorbans lag. Er hatte den falschen Koffer versenkt! War das der Koffer, der auf der Reise verlorengegangen sein sollte? Und warum hatte er einen Koffer mit Banknoten versenken sollen, die einen so fabelhaften Wert darstellten?
Sie hatten ihr nicht die geringste Erklärung gegeben -das erschien ihr als schlechtes Zeichen. Die Atmosphäre war geladen. Es drohte ihr Gefahr - sie wußte und fühlte es.
Cynthias schrille Stimme rief sie zurück. Sie ging langsam ins Haus, ihr Herz schlug schneller. Auf dem Wege, der am Haus entlangführte, sah sie etwas Weißes liegen. Sie bückte sich und hob es auf. Selbst in dem Zwielicht erkannte sie, daß es die Quittung war, die sie oben in dem Koffer gefunden hatte. Die Zugluft mußte sie aus dem Fenster geweht haben. Sie steckte sie in die Tasche ihrer Strickjacke, um sie Mrs. Dorban zu geben.
»Kommen Sie hier herein, Penelope«, sagte Cynthia hart.
Sie folgte der Frau in das kleine Wohnzimmer.
Arthur Dorban saß an einem kleinen Tisch und hatte das Kinn in seine Hand gestützt. Er schaute nicht auf, als sie eintrat, sondern sah unverwandt auf die Spitzendecke, die auf dem Tisch lag.
Penelope hörte, wie der Schlüssel umgedreht wurde, und wußte, daß sie nun gefangen war.
»Hier ist sie«, sagte Cynthia barsch.
Aber Arthur rührte sich immer noch nicht.
»So sag es ihr doch!« Cynthia konnte ihre Ungeduld nicht verbergen.
Nun schaute Mr. Dorban auf.
»Ich will allein mit ihr sprechen.«
Cynthia zuckte die schmalen Schultern.
»Das kann ich auch ertragen«, erwiderte sie ironisch, ging dann zwei Schritt auf ihren Mann zu und lehnte sich über den Tisch. »Du weißt, was dies zu bedeuten hat, Slico? Es gibt keine halben Maßnahmen und auch keine Kompromisse. Hast du mich verstanden? Wenn du nicht den Mut hast, ich habe ihn!«
Sie sah ihn noch einen Augenblick scharf und eindringlich an, dann verließ sie das Zimmer.
Als sie die Tür geschlossen hatte, wandte er sich an Penelope. Aber es fiel ihm schwer, zu sprechen.
»Neulich gab ich Ihnen eine Chance, nach Kanada zurückzukehren, und ich wünschte jetzt aufrichtig, Sie hätten von meinem Anerbieten Gebrauch gemacht. Jetzt können Sie nicht mehr nach Kanada oder sonstwohin gehen. Es gibt nur noch eine Möglichkeit für Sie, aber es ist alles andere als die, an die Cynthia denkt. Sie erinnern sich noch daran, was ich Ihnen auf dem Boot sagte?«
Sie nickte. Ihr Mund war trocken, und sie konnte kein Wort hervorbringen.
»Das ist der Ausweg, der Ihnen bleibt. Aber das bedeutet auch, daß wir irgendwie mit Cynthia fertig werden müssen.«
»Ich verstehe nicht, was Sie meinen - was habe ich denn getan?« fragte sie heiser.
»Sie haben etwas gesehen, was Sie nicht hätten sehen dürfen. Wenn Sie mehr darüber wüßten, was sich in diesem Land in den letzten zwölf Monaten ereignet hat, würden Sie nicht solche Fragen stellen. Ich habe Cynthia satt, das habe ich Ihnen schon früher gesagt. Und ich muß zwischen Cynthia und Ihnen wählen. Eine von beiden muß aus dem Wege!«
Sie starrte ihn entsetzt an.
»Aus dem Wege?«
»Ja.« Plötzlich stand er auf und trat dicht an sie heran. Sie war vor Schrecken wie gelähmt. Er legte seinen Arm um ihre Schulter und seine Hand unter ihr Kinn. »Sieh mich an«, flüsterte er, und seine Augen leuchteten auf. »Ich ginge für dich aufs Schafott, wenn du das erlösende Wort sprechen würdest! Aber du mußt mir helfen - hörst du? Ich habe mich auf dem Boot zusammengenommen, aber du weißt nicht, was es mich gekostet hat, mich damals zu beherrschen. Ich sehne mich nach dir, Penelope!«
Als seine heißen Lippen die ihren berührten, brach plötzlich der Bann, der über ihr gelegen hatte. Sie stieß ihn zurück, wandte sich und eilte aus dem Zimmer in den dunklen Korridor. Sie faßte eben das Treppengeländer, als etwas ihr Gesicht berührte. Sie wußte, daß es ein seidenes Tuch war, noch ehe ihre Kehle damit zugeschnürt wurde. Sie versuchte zu schreien, aber der Laut wurde erstickt.
Sie war noch niemals ohnmächtig geworden und wußte auch nicht, daß sie das Bewußtsein verloren hatte, bis sie im
Weitere Kostenlose Bücher