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046 - Penelope von der 'Polyantha'

046 - Penelope von der 'Polyantha'

Titel: 046 - Penelope von der 'Polyantha' Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
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daß Sie etwas zu spät zum Beginn Ihrer Vorlesungen kommen?« fragte sie ironisch.
    Er lächelte.
    »Ich glaube, man wird den Semesterbeginn bis zu meiner Rückkehr verschieben.«
    »John!«
    Er war schon an der Tür, setzte das Tablett draußen auf das Deck und kam in die Kabine zurück.
    »Kennen Sie das Geheimnis der ›Polyantha‹?«
    »Das einzig Geheimnisvolle an Bord sind Sie. Alle Frauen sind mehr oder weniger mysteriös -«
    »Nun seien Sie doch vernünftig!« rief sie ungeduldig. »Warum stehlen wir uns so heimlich von England fort? Diese Reise ist wirklich merkwürdig.« »Ist Ihnen das so unangenehm?« fragte er schnell.
    Sie überlegte.
    »Eigentlich nicht, aber es fällt mir doch auf. Ich möchte nicht gern im unklaren darüber sein; ich bin nämlich ein wenig in Unruhe wegen Mrs. - wegen einer Dame.«
    »Ach, Sie meinen die Dame, die Sie aus dem Motorboot werfen wollte. Sie brauchen sich ihretwegen keine Sorgen zu machen. Das liebe Kind lebt und wehrt sich ganz gewaltig«, sagte er grimmig.
    »Woher wissen Sie denn das?« fragte sie erstaunt.
    »Sie sind als tot gemeldet worden«, erwiderte John nachdenklich. »Das Motorboot wurde mitten im Meer aufgegriffen, das heißt fünfundzwanzig Meilen von Spithead entfernt. Ich vermute, daß Mrs. Dorban irgendeine Geschichte über einen Unglücksfall erfunden hat, durch den Sie beide ins Wasser fielen. Es ist übrigens keinesfalls verwunderlich, daß ich das alles weiß«, sagte er lächelnd. »Wir haben nämlich eine ausführliche Funkmeldung über die Tragödie erhalten. Es erscheint mir nur so merkwürdig, warum man ausgerechnet Sie töten wollte.«
    Aber Penelope schwieg sich über diesen Punkt aus.
    »Besprechen Sie eigentlich diese ganzen Angelegenheiten mit dem Captain?«
    »Sie sind schon wieder ironisch!« sagte John traurig. »Das kann ich nicht vertragen. Wir arme, einfache Matrosen hören doch eine ganze Menge, wenn wir die Ohren spitzen.«
    Damit ging er hinaus. Später sah Penelope, daß er an Deck Messingteile putzte, in der nachlässigen, langweiligen Art, wie Matrosen ihre Arbeit verrichten.
    Er war leicht gekleidet und trug nur Hemd und Hose. Das Wetter hatte sich tatsächlich geändert, wie er vorausgesagt hatte, und es war heiß an Deck, denn sie fuhren mit dem Wind. John hatte die Hemdsärmel aufgerollt, und sie sah seine starken braunen, muskulösen Arme. Plötzlich legte er sein ganzes Putzmaterial in einen Kasten und verschwand.
    Sie ging hinter ihm her und schaute auf das Deck hinunter, wo der unvermeidliche Hollin mit seiner Zigarre saß. John war nicht mehr zu sehen, und sie war ein wenig bedrückt darüber.
    Mr. Orford schlief unter seinem Schirm, Bobby saß an Deck und spielte irgendein Geduldsspiel, Dr. Fraser las in einem dicken Buch. Niemand unterhielt sich mit ihr. Der Schiffsarzt schaute von seinem Buch auf, als sie vorbeikam, und einer der Offiziere, den sie für den Steuermann hielt, ging ihr aus dem Weg. Zum erstenmal fühlte sie sich sehr verlassen.
    Eine halbe Stunde später ging sie zum äußersten Ende des Schiffes, wo sich ihr ein ungewöhnlicher Anblick bot.
    John saß auf einem kleinen Klappstuhl, und auf seinen Knien lag ein großer Malkasten, dessen zurückgeschlagener Deckel ihm als Staffelei diente. Er hatte innen ein Blatt Papier angeheftet, das er eifrig bemalte. Sie sah ihm entzückt zu. Die graugrünen Wellen der See und die zarten goldgelben Töne des westlichen Himmels gewannen unter seinem flinken Pinsel rasch Umriß und Leben.
    Er hatte seinen Stuhl auf das Dach der vorderen Ladeluke gestellt, von wo aus man einen guten Ausblick auf das Meer hatte, und er war so in seine Arbeit vertieft, daß er Penelope erst bemerkte, als ihr Schatten auf ihn fiel. Halb schuldbewußt und halb verlegen drehte er sich um und schaute zu ihr auf.
    »Ja, für eine Zehnminutenskizze ist es nicht gerade schlecht geworden«, sagte er, als er ihrem begeisterten Blick begegnete.
    »Sie sind ja ein Künstler, John!«
    Er legte seinen Pinsel fort und schloß den Kasten.
    »Ich bin ein Amateur, ein armer Stümper. Leute wie wir müssen auch ihr Vergnügen haben, ebensogut wie die Reichen -«
    »Zum Teufel noch einmal!«
    Mr. Orford war herbeigekommen, und Penelope sah, daß er sehr ärgerlich war.
    »Zum Donnerwetter, was machen Sie denn da schon, wieder! Der nichtsnutzige Schlingel malt! Habe ich Ihnen denn nicht gesagt ...« Mr. Orford war wirklich zornig.
    John wurde tiefrot. Aber zu ihrem größten Erstaunen antwortete er nicht,

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