046 - Penelope von der 'Polyantha'
nicht sagen, was das alles bedeuten soll?« bat sie ihn. »Ich bin so verwirrt - und fürchte mich auch.«
»Sie brauchen sich nicht im mindesten zu fürchten. Ich soll Ihnen alles sagen?« Er lachte leise vor sich hin. »Nun, ich glaube, Sie werden noch heute abend alles erfahren müssen. Auf jeden Fall werden Sie bald eingeweiht werden.«
Er knipste seine Taschenlampe an, um ihr den Weg in ihre Höhle zu zeigen. Mrs. Dorban stand an der Ecke der erhöhten Plattform.
»Ist etwas nicht in Ordnung?« fragte sie aufgeregt.
»Es ist alles in Ordnung«, antwortete John vergnügt.
»Ich dachte, Sie hätten draußen mit jemandem gesprochen!«
John gab ihr keine Antwort, bis er Penelope auf die Plattform geholfen hatte.
»Ja, ein Freund von Ihnen war draußen«, sagte er dann. »Aber er hat nicht mit mir gesprochen.«
»Ein Freund?« fragte sie schnell. »Wen meinen Sie denn?«
»Whiplow.«
Er hatte eine Laterne angezündet, und bei ihrem Licht sah er, wie sich der Ausdruck ihres Gesichtes änderte.
»Whiplow?« wiederholte sie fast ungläubig. »Sie lügen! Wie sollte denn der hierherkommen! Wer ist denn überhaupt dieser Mr. Whiplow?«
John lächelte.
»Ich dachte mir schon, daß Sie ihn vielleicht gar nicht kennen«, antwortete er ironisch, »aber trotzdem war er hier. Miss Pitt hat seine Stimme wiedererkannt.«
Cynthia erholte sich allmählich wieder.
»Wie lächerlich Sie sich benehmen! Natürlich kenne ich Mr. Whiplow. Er hat meinen Mann einmal besucht, als ich in London war. Aber es ist einfach absurd, zu behaupten, daß er mein Freund sei. Haben Sie ihn gesprochen?« Sie sah John argwöhnisch an.
»Nein, ich habe ihn nicht gesprochen. Allein die Tatsache, daß ich wieder hierher zurückgekommen bin, beweist, daß er mich überhaupt nicht gesehen hat. Aber eines Tages werde ich noch mit ihm sprechen, und ich weiß, daß dies ein sehr böser Tag für Sie sein wird, Mrs. Dorban!«
Die Selbstbeherrschung dieser Frau war ungewöhnlich. Sie konnte selbst in diesem kritischen Augenblick lächeln.
»Ach, wie romantisch!« sagte sie höhnisch. »Diese Phrase klingt, als ob sie aus einem Kriminalroman stammte!«
Sie zuckte die Schultern und ging in die Höhle zurück, in der ihr Mann schlief. Sie fand den Weg im Dunkeln und weckte ihn auf.
»Was gibt es?« fragte er leise.
»Whiplow ist hier.« »Hier in der Höhle?«
»Nein, du Narr! In Vigo! Und offensichtlich sucht er uns. Wahrscheinlich war er in einem Boot, unser Freund John hat ihn gesehen.«
Arthur Dorban war ganz wach geworden.
»Was, Whiplow ist hier? Dieses Schwein! Er hat mir doch geschworen, mit dem nächsten Schiff nach Amerika zu fahren!«
»Für einen Mann mit deiner Vergangenheit bist du noch reichlich naiv«, erwiderte sie spöttisch. »Whiplow ist schon die ganze Zeit hinter uns her, er muß uns durch Frankreich und Spanien gefolgt sein. Und wenn du es dir überlegst, ist es doch verständlich, daß er das Nest mit den goldenen Eiern nicht so ohne weiteres im Stich läßt. Dieses verdammte Mädchen hat seine Stimme erkannt!«
»Du glaubst also, daß John alles weiß?«
»Er hat es anscheinend schon lange vermutet«, entgegnete sie kühl. »Aber solange er seine Stimme nicht auch wiedererkannt hat, haben wir eigentlich nichts zu fürchten. Wir dürfen jetzt aber keine Zeit mehr verlieren. Hast du mit Hollin gesprochen?«
»Ja.« Er zündete sich eine Zigarette an. »Ich glaube, daß er sich leicht gefügig machen läßt, wenn wir es nur richtig anfangen. Aber hier in der Höhle können wir nichts unternehmen.«
Sie machte eine ungeduldige Bewegung.
»Hier ist doch die beste Gelegenheit dazu - worauf willst du denn noch warten?« fragte sie wild. »Ihr seid doch beide bewaffnet -«
»Unglücklicherweise stimmt das nicht«, unterbrach er sie. »Während Hollins Abwesenheit von dem Schiff sind die Patronen in seinen Pistolen durch Platzpatronen ersetzt worden. Er hat es erst heute nacht entdeckt. Ich habe daraufhin sofort auch meine Pistole untersucht und habe hier denselben Wechsel vorgefunden. Das Magazin ist vollkommen leer und am Lauf befindet sich nur eine leere Patronenhülse. Meine liebe Cynthia, wir haben es mit sehr klugen Leuten zu tun. Und es war sehr töricht von uns, zu glauben, wir könnten sie so leicht fangen. Als ich meine Pistole unter das Sofa steckte, hätte ich mir überlegen müssen, daß die Kabine bei der nächsten Gelegenheit genau durchsucht werden würde. Während wir in den Salon gebracht wurden, war
Weitere Kostenlose Bücher