046 - Penelope von der 'Polyantha'
würden über viel Geld verfügen. Ich weiß, daß das Ihre Entscheidung nicht beeinflußt, aber ich möchte Ihnen doch den Rat geben, das Geld nicht zu verachten. Es ist ein wesentlicher Faktor in dieser bösen Welt, und es birgt eine große Macht in sich. Es erlaubt Ihnen, sich ganz Ihren Liebhabereien zu widmen.« Das sagte er mit einem so strahlenden Lächeln, daß sie lachen mußte.
»Nun gut - ich will es mir überlegen.« Sie runzelte die Stirn. »Nein, ich will es nicht mehr überlegen - ich will Sie meine Entscheidung gleich wissen lassen. Wenn Sie mir in allem Ernst sagen, daß ich Johns Leben dadurch retten kann, werde ich ihn heiraten. Wer wird uns trauen?«
»Der Captain«, erwiderte Mr. Orford schnell. »Die Sache kann sehr bald geregelt werden.«
Plötzlich fuhr er zusammen und beugte sich hinunter. Dann legte er den Finger auf die Lippen und führte sie von dem Geländer fort. »Sie haben uns wahrscheinlich gehört!«
»Wer? Meinen Sie die Dorbans?«
Er nickte.
»Wir haben uns direkt über ihrem Kabinenfenster unterhalten! Ich fange an, alt zu werden.«
18
Cynthia Dorban kniete auf dem Sofa und horchte. Sie hatte fast das ganze Gespräch gehört. Arthur Dorban lag auf seinem Bett, hatte ein Buch auf den Knien und eine Zigarette im Mund. Er beobachtete seine Frau, ohne zu wissen, worauf sie lauschte.
»Nun?« fragte er schließlich, als sie sich erhob.
»Sie will ihn heiraten!« rief Cynthia erregt. »Ich habe dir ja vorausgesagt, was Orford tun würde.«
Arthur legte seine Zigarette sorgfältig weg und stand auf.
»Wann wird das geschehen?« fragte er ruhig.
»Heute, morgen - woher soll ich das wissen?« fuhr sie ihn an.
Er schlüpfte in seinen Rock, öffnete die Kabinentür und schaute den Gang entlang. Die nächsten Kabinen bewohnten der Schiffsarzt und Bobby. Auf der anderen Seite waren Mr. Orford und der Chefingenieur untergebracht. Die Kabine des Kapitäns lag der ihrigen gerade gegenüber, er schlief aber gewöhnlich oben im Kartenzimmer hinter der Kommandobrücke.
Arthur Dorban versuchte die Kapitänskabine zu öffnen, aber sie war, wie gewöhnlich, verschlossen.
»Geh schnell zur Treppe und paß auf, ob jemand kommt!«
»Was hast du denn vor?« fragte Cynthia. »Du weißt doch, daß wir nicht an Deck gehen dürfen.«
»Halt jetzt den Mund und tu, was ich dir sage«, fuhr er sie unwirsch an. Sie folgte ihm, ohne noch eine Frage zu stellen.
Er ging in die Kabine zurück, holte einen Bund Schlüssel aus einem Koffer und probierte einen nach dem andern an der Tür. Er hatte nur wenig Zeit, denn jeden Augenblick konnte jemand von der Schiffsbesatzung vorbeikommen und ihn entdecken.
Als von Hause aus träger Charakter hatte er gehofft, daß es sich vermeiden ließe, Gewaltmaßnahmen zu ergreifen, oder daß er wenigstens noch mehr Zeit hätte. Aber nun erkannte er plötzlich den Ernst der Lage und übersah die Folgen, die Penelopes Zustimmung mit sich brachte.
Keiner der Schlüssel paßte. Im Gang hing ein Glaskasten, in dem für Feuersgefahr und andere Unglücksfälle eine Axt aufbewahrt wurde. Der Kasten war nicht verschlossen. Arthur nahm die Axt heraus, trat einen Schritt zurück und ließ sie mit voller Wucht auf das Schloß fallen. Dann klemmte er die Schneide zwischen die Tür und den Rahmen und brach das Schloß auf.
Er schaute sich schnell um - es war niemand in Sicht, und es war auch nicht anzunehmen, daß jemand den Lärm gehört hatte. Alle schienen oben an Deck zu sein, und das Geräusch der Maschinen hatte den Schall sicherlich überdeckt.
Die Kapitänskabine war sehr groß. Ein Schreibtisch, eine Messingbettstelle und ein großer Schrank standen darin. Er zog die Schreibtischschubladen nacheinander auf und fand gleich in der ersten, was er suchte - ein paar Schnellfeuerpistolen und ein paar Schachteln Patronen. Er vermutete, daß sich irgendwo noch eine Kiste mit Waffen befand. Der Gedanke kam ihm, während er die Schachteln aufmachte und die Pistolen lud. Er suchte die Kabine ab und entdeckte tatsächlich unter dem Bett eine flache, schwarzlackierte unverschlossene Kiste, in der ein halbes Dutzend schwere Armeerevolver, zwei Gewehre, fünfzig Schachteln Munition und ein halbes Dutzend Handschellen lagen. Er trug alles in seine Kabine. Cynthia hielt noch am anderen Ende des Ganges Wache, und er winkte sie zu sich.
»Hol schnell Hollin her!«
Sie hatte ihn eben an der Treppe gesehen, wo er die Messingbeschläge putzte, denn nach seinem Ausflug nach Vigo war
Weitere Kostenlose Bücher