046 - Viva Las Vegas!
gar ängstigte, und dass sie nicht hinter allem, was sie nicht kannte, gleich Götter oder böse Geister vermutete.
Was freilich nicht hieß, dass ihr bisweilen nicht etwas gespenstisch vorgekommen wäre. Diese Situation beispielsweise.
Wo war das Volk, das sich hier niedergelassen hatte? Es musste doch hier noch andere geben außer diesen Verwundeten.
»Den Göttern sei Dank…!«, rief in diesem Augenblick hinter ihr jemand aus, mit so spürbarer Erleichterung und einer Hoffnung, dass Aruula sich nicht bedroht fühlte, obwohl sie erschrak über die Stimme aus dem Nichts.
»… die Sendbotin des Himmels ist erwacht!«, endete der Ruf - und weckte einen unangenehmen Verdacht in Aruula. Die wenigen Worte klangen so, als hielte man sie für -Aruulas Gedankenfluss versiegte.
Sie hatte sich umgedreht. Hinter ihr stand ein Mann, der augenscheinlich älter aussah, als er tatsächlich war; das spürte Aruula einfach. Er war aus einem Zugang in diese Halle getreten, der ihr zuvor in dem Spiel aus Licht und Schatten nicht aufgefallen war.
Sie sah den Mann an. Stumm, aber nicht etwa, weil sie nichts zu sagen wusste, sondern weil es ihr die Sprache verschlagen hatte.
Auch der Mann blickte sie an - jedoch ohne sie zu sehen.
Denn er besaß keine Augen.
***
Nichts leichter als das, hatte Azrael gesagt.
»Von wegen!«, schnaufte Hedge schweißgebaftet - nach vollbrachtem Werk allerdings. Und allen Ängsten, die er ausgestanden hatte, zum Trotz verspürte er doch auch Triumph.
Nur zu gern hätte er jetzt Mauser gespielt und sich wieder hineingeschlichen ins MA'DALAY'AY. Aber jetzt musste er erst einmal zusehen, dass er sich aus dem Staub machte!
Er stieg auf den Bock des Karrens, gab dem Zugtier die Peitsche und fuhr davon, um in einiger Entfernung wie abgesprochen auf Azrael zu treffen, dem er den nach oben gestreckten Daumen zeigte.
»Gab es Schwierigkeiten?«, fragte der Mann in der Kutte.
»Abgesehen davon, dass ich mir fast in die Hose gemacht hab?«, fragte Hedge zurück.
»Nope.«
»Hatte ich doch gesagt«, meinte Azrael und versetzte ihm einen freundschaftlichen Klaps.
»Was ist mit ihm?« Hedge zeigte auf den bewusstlosen Händler.
»Der schläft noch ein Weilchen. Aber ansonsten gehts ihm gut.«
Sie hatten den Lebensmittelhändler, der mit seinem Karren zum MA'DALAY'AY unterwegs gewesen war, in sicherer Distanz zum Ziel abgefangen und überwältigt. Dann hatte Hedge die Zügel übernommen und den Karren zum Hintereingang der Residenz des Gudfadda gefahren. Dort hatte man seine Papiere überprüft und die Lieferung (zum Glück nur flüchtig) in Augenschein genommen. Hedge durfte passieren und »seine« Waren abladen.
Drinnen war er gar nicht aufgefallen. Mehrere Dutzend Menschen waren hier am Kochen und Werkeln, und über allem lag Küchendunst wie Nebel. Da hatte Hedge unbemerkt tun können, weswegen er gekommen war, und dabei hatte er eine fast angenehme Art von Anspannung gefühlt, einen Nervenkitzel, nach dem man - wie er fast fürchtete - süchtig werden konnte…
Jetzt ließen sie den leeren Karren neben seinem »schlafenden« Besitzer stehen und machten sich im Schutz der Abenddämmerung davon.
»Ich kapier aber trotzdem nicht ganz, was du dir von dieser Aktion erhoffst«, sagte Hedge nach einer Weile.
»Sie soll dem Don zeigen, dass er nicht so sicher ist, wie er glaubt«, erklärte Azrael.
»Du meinst, das Ganze soll ihm Angst machen?«, fragte Hedge zweifelnd.
Azrael schüttelte den Kopf. »Nein -er soll nur einen Vorgeschmack von Angst bekommen. Wahre Angst servieren wir ihm später, als Hauptgang sozusagen. Aber wir bestimmen, wann er aufgetragen wird - und dessen soll er sich bewusst sein!«
»Na dann«, murmelte Hedge, »hoffe ich nur, dass er uns nicht zum Nachtisch frisst…«
***
»Ein Mann?« Ezekiel schüttelte bedauernd den Kopf. »Nein, du warst die Einzige, die vom Himmel fiel - oder die Einzige, die wir fanden. Tut mir Leid.« Er lächelte warm. Ein bizarrer Anblick in Verbindung mit seinen Augenhöhlen, die ihrer Leere zum Trotz mitzulächeln schienen, gerade so, als befänden sich noch Augäpfel darin.
Ezekiel - unter diesem Namen hatte sich der Blinde Aruula vorgestellt - hatte sie aus der
»Halle der Heilung« geführt und durch ein wahres Labyrinth aus Stollen und weiteren Räumen unterschiedlichster Größe, einige voll mit Maschinen ähnlich denen, die Aruula schon gesehen hatte.
Dabei waren sie .einer ganzen Anzahl von Menschen begegnet - Menschen, die zum Teil
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