0461 - Der Druide und die Echse

müssen. Nimm es, wie es gekommen ist. Wer weiß, wozu es gut war. Außerdem unternehme ich nur ungern ungeplante Not Sprünge, vor allem, wenn es an Ziele geht, die ich vorher nicht sondieren konnte. Ich lande nicht gern durch einen kleinen Fehler in festen Wänden oder Möbelstücken. Deshalb war unser Absprungort das beste Ziel. Ich wußte, daß wir hier keine Schwierigkeiten bekommen würden.«
    »Weshalb überhaupt dieser ganze Zirkus?« erkundigte Nicole sich.
    Schmunzelnd informierte Gryf sie über das italienische Waffengesetz. Carlotta schlug sich mit der flachen Hand vor die Stirn, weil selbst sie daran nicht gedacht hatte, daß auch Schwerter zu den Stich- und Schneidewaffen gehörten, deren Klingenlänge nicht überschritten werden durfte.
    »Was tun wir jetzt?« fragte Nicole. »Versuchen wir noch einmal, in die Suite und in das Bad zu gelangen, um die halbe Hoteletage zu überfluten?«
    »Ich weiß nicht, ob das gut ist«, sagte Gryf.
    »Aber, zum Teufel, ich sehe keine andere Möglichkeit, um schnell in die Echsenwelt zu gelangen«, entfuhr es Zamorra. »Mann, wir brauchen eine Drachenschuppe! Wenn Krokodile oder Schildkröten oder Schlangen als Drachen-Ersatz in Frage kämen, wäre es kein Problem, einem dieser lieben Tierchen eine Schuppe abzuhandeln, bloß benötigen wir Saurier! Und die finden wir nirgends mehr auf dem Erdball. Zumindest nicht in lebender oder wenigstens so gut erhaltener Form, daß sie uns etwas nützen. Also, los.«
    »Warte mal«, sagte Gryf. »Vielleicht gibt es eine andere Möglichkeit.«
    »Und welche, du Schlaukopf?«
    Der Druide deutete mit dem Finger nach unten, in Richtung Keller. »Die Transmitter-Straßen im Arsenal in der Dimensionsfalte«, sagte er. »Vielleicht sollten wir es einmal damit probieren.«
    ***
    Immer wieder beobachtete Reek Norr den Radarschirm seines Schwebegleiters, um herauszufinden, ob er verfolgt wurde. Am Rand des Schirms nahm er ein verwaschendes Echo wahr. Sie waren also tatsächlich irgendwo hinter ihm, die Priester der Kälte. Er war gespannt darauf, wie weit sie gehen würden. Riskierten sie einen offenen Angriff hier draußen in der Wildnis?
    Oder beschränkten sie sich nur darauf, anwesend zu sein, zu beobachten und ihre Sekte zu repräsentieren?
    Er wußte es nicht.
    Er wußte ja auch nicht, was auf ihn wartete. Welche Art von Wesen oder vielleicht nur Gegenständen in die Echsenwelt gekommen war, als Ausgleich, um die Massewerte stabil zu halten.
    Um die Steuerung des Fahrzeugs brauchte er sich nicht zu kümmern. Mit leise summendem Motor glitt er dicht über die Baumkronen der Dschungelriesen hinweg dem einprogrammierten Ziel entgegen. Das einzige, worum Norr sich kümmern mußte, war das Regulieren der Geschwindigkeit. Er kam zügig voran. Einmal dachte er an die Menschenwelt. Dort gab es auch Flugmaschinen, aber sie waren weitaus weniger wendig, da sie auf einem ganz anderen Antriebskonzept basierten. Die Gleiter der Sauroiden waren nicht an eine Mindestgeschwindigkeit oder an Auftriebswerte gebunden, um sich in der Luft zu halten.
    Sicher, auch die Menschen besaßen Verkehrsmittel, mit denen man sich langsam bewegen konnte; Norr hatte sie bei seinem Aufenthalt auf der Erde gesehen. Aber diese Verkehrsmittel konnten nicht fliegen, sie waren erdgebundene Räderfahrzeuge. Automobile. Reek Norr war sicher, sich damit nie anfreunden zu können. Allein der Antrieb, der auf fossilen Brennstoffen basierte, stank ihm - im doppelten Sinne. Hinzu kam, daß diese Fahrzeuge von Straßen abhängig waren, die in den seltensten Fällen den kürzesten Weg zwischen zwei Punkten darstellten. Es schien, als hätten die Straßenbauer einen geradezu dämonischen Spaß an haarsträubenden und mörderisch gefährlichen, außerdem von der Verkehrswirtschaftlichkeit her unlogischen Kurven. Andererseits aber paßte diese Unlogik, wiederum zum ganzen Verkehrssystem, dem die Menschen huldigten - es war eine durch und durch unlogische, gigantische Fehlentwicklung von Anfang an. Daß sie längst in einer Sackgasse ohne Wendemöglichkeit steckten, würden die Menschen aber vermutlich erst begreifen, wenn man es ihnen mit dem Holzhammer in die Köpfe hämmerte.
    Reek Norr riß sich von seinen kritischen Betrachtungen wieder los. Was nützte es der Echsenwelt, das bessere und umweltfreundlichere Konzept entwickelt zu haben, wenn diese Welt mit allem, was darauf kreuchte und fleuchte, zum Untergang verurteilt war?
    Unter Norr war tropischer Dschungel mit dichtbelaubten