0461 - Ein Killer läßt die Wallstreet wackeln
zum Fahrstuhl. Ich drückte den Rufknopf für den Lift. Die Standortskala begann aufzuleuchten, und ich sah, daß sich der Lift im obersten Stockwerk befand. Es schien endlos zu dauern, bis die Kabine endlich hinter der Glastür erschien.
Auch die Sekunden, in denen uns der Lift nach oben trug, dehnten sich. Neben mir zitterte vor Aufregung der Mann. Er trug einen blauen Schlafanzug. »Bleiben Sie im Lift!« sagte ich. »Unternehmen Sie nichts. Falls geschossen werden sollte, fahren Sie sofort nach unten und alarmieren vom nächsten Telefon die Polizei.« Er nickte eifrig. Mit einem sanften Ruck hielt der Lift auf der obersten Etage. Ich ging hinaus und zog die 38er.
Die Eingangstür zu John Hovers Wohnung stand offen. In der Diele brannte Licht.
***
Alice Deville faßte die Hand des Jungen. Es war eine seltsam rührende Geste, die etwas von der kindlichen Furcht ahnen ließ, die das verwöhnte Girl in i diesem Augenblick erfüllte. Langsam ging sie auf den Eingang zum Arbeitszimmer zu. Reshop blieb an ihrer Seite. Nebeneinander und gleichzeitig durchschritten sie die Öffnung.
Der Mann hinter dem Schreibtisch drückte den Knopf nieder. Die Regalwand glitt vor. Mit einer schnellen Bewegung stand er aus dem Sessel auf.
»Du?« rief Alice.
Charly Reshop ließ erschrocken die Hand des Mädchens los. Er nahm so etwas wie Haltung an, verbeugte sich und sagte artig:
»Guten Abend, Mr. Ragley!«
***
Ich stieß die Wohnungstür weiter auf. Die Diele dahinter war menschenleer. Ich durchquerte sie mit raschen, lautlosen Schritten. Auch die Tür zum großen Wohnraum stand offen. Auch dort brannten sämtliche Lampen. Ich drehte mich um die eigene Achse. Keine Spur von Alice Deville.
Was war schon geschehen? Hatte er sie weggebracht? - - Nein, sie mußte sich hier befinden, tot oder lebendig.
Ich ging auf das Bücherregal zu. Ich wußte, daß es einen Knopf gab, der den Motor für die kaschierte Schiebetür in Gang setzte, aber er war verdeckt angebracht. Ich fand ihn nicht auf Anhieb. Meine Hände glitten über die Regalwand. Plötzlich erstarrte ich, denn ich hörte deutlich, wenn auch leise, eine Stimme. In John Hovers Arbeitsraum sprach ein Mann.
***
James Ragley fiel der Unterkiefer herunter. Mit offenem Mund und so törichtem Gesichtsausdruck, wie niemand ihn je zuvor in seinem Gesicht gesehen hatte, starrte er Charly Reshop an, nicht Alice Deville, sondern den Jungen, mit dessen Auf tauchen er in dieser Sekunde einfach nicht fertig werden konnte. Er, Ragley, hatte jede Einzelheit seines Unternehmens wieder und wieder berechnet, durchdacht, überprüft. Dieser Boy kam einfach in seinem Plan nicht vor. Der Gedanke, daß Alice zu einem Abschied von ihrem Verlobten irgendeinen Jungen aus dem Club mitbringen könnte, dieser Gedanke war Ragley nicht eingefallen.
»Wer sind Sie?« fragte er überflüssig und sinnlos.
Reshop deutete zum zweitenmal eine Verbeugung an: »Charles Reshop, Mr. Ragley. Zum letztenmal sahen wir uns auf der Party von Mrs. Cumland im November vorigen Jahres.«
Ragley warf den Kopf zu dem Mädchen herum. »Warum bringst du ihn mit?«
Sie antwortete nicht. Sie musterte ihn mit zusammengekniffenen Augen. Mißtrauen wuchs in ihr hoch. »Wie kommst du in Johns Wohnung? Wo ist John?«
Er strich sich mit dem Handrücken über den grauen Schnurrbart. Sein eiskaltes Gehirn überwand die Verwirrung, in die ihn das Auftauchen des Boys vorübergehend gestürzt hatte. Sein Mund verzog sich zu der Andeutung eines zynischen Lächelns.
»Pech für Mr. Reshop, daß du ihn hergeschleift hast. Andererseits vielleicht auch nicht ungünstig. So kann auch Eifersucht noch als Motiv angenommen werden.«
Der Millionärssohn begriff nicht. Er lächelte weiter höflich und ein wenig verlegen. Auch Alice verstand nicht wirklich die Bedeutung der Worte, des Mannes, zu dem sie zehn Jahre lang »Daddy« gesagt hatte. Aber sie fühlte, daß von ihm aus Gefahr auf sie zukam.
Etwas Schreckliches, Drohendes und Dunkles, das jetzt schon nach ihrer Kehle griff und sie zuzuschnüren drohte. »Warum hast du mich hergelockt?« fragte sie leise.
Er zuckte die Achseln. »Mir blieb keine andere Wahl. Ich hätte dich gern ausgespart, Alice. Ich glaube, du hättest mich auch nach deinem Geburtstag, an dem du großjährig wurdest, nicht nach deinem Vermögen gefragt, aber John Hover hätte sich schon zwei Minuten nach der Trauung danach erkundigt. Von diesem Vermögen existiert nämlich nichts mehr, jenen Teil ausgenommen, den
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