0461 - Lupina gegen Mandragoro
entkommen.
Dabei blieb die Kugel nie stehen. Sie schaukelte und bewegte sich auf den Ausgang der Küche zu.
Edna sank zusammen. Die Flüssigkeit hatte sie bereits gezeichnet. Bevor die Kugel die Küche verließ, schaute die Frau den am Tisch hockenden Bill noch einmal an.
Der Reporter konnte den Blick nicht ertragen. Er drehte den Kopf zur Seite. Dieser Vorwurf in den Augen machte ihn fast fertig. Die Hand hatte er zur Faust geballt, er stierte die Pistole an, weil er auf die Kugel nicht mehr schauen konnte. Unter ihr hatten sich kleine Stelzen gebildet, die den runden Körper aus der Küche transportierten.
Bill Conolly war froh dabei, nicht mehr hinschauen zu müssen. Das Drama, das sich innerhalb der Kugel abspielte, war einfach zu schrecklich. Er wollte dem Sterben der Menschen nicht zusehen, außerdem trug er daran die Schuld.
Die ersten Vorwürfe kamen. Vielleicht hätte es noch eine andere Möglichkeit gegeben, als ausgerechnet eine Ladung aus der goldenen Pistole. Aber das alles war nun zu spät. Wäre Bill ein abgebrühter Typ gewesen, hätte er sich darüber keine Gedanken gemacht. Doch es gab das verdammte Gewissen, das ihm sagte, wie sehr er die Schuld am Tode dieser Frau trug, auch wenn sie eine eiskalte Mörderin war.
Hinzu kamen seine eigenen Probleme. Die Schmerzen im Arm hatten sich so gesteigert, daß sie nur mehr aus einem harten Pochen und Hämmern bestanden. Das Blut floß schnell durch die Adern, er spürte seinen Kreislauf und machte sich nichts vor.
Bill hatte den Teufel mit dem Beelzebub ausgetrieben. Aber Beelzebub, in diesem Fall war es die Kugel, würde zurückkehren und sich das holen, was ihm zustand.
Leben!
Dieses Gebilde war unersättlich. Es würde durch das Haus geistern, nach Leben suchen - und, wenn es nichts fand, auch auf die Straße gehen, um den Terror dort zu verbreiten.
»Ich hätte es nicht tun sollen!« keuchte Bill. »Verdammt, ich hätte es nicht tun sollen…«
Es war geschehen, ein Zurück gab es nicht. Er brauchte sich auch keine Vorwürfe zu machen, sondern mußte zusehen, daß er der monströsen Kugel entkam.
Bill wußte, wie sie zu zerstören war. Durch John Sinclairs Kreuz, aber der Geisterjäger befand sich irgendwo, nur nicht in der Nähe. So war Bill vom Regen in die Traufe gekommen.
Und sein linker Arm hing wie ein starrer, nicht dazugehöriger Gegenstand an der Körperseite nach unten. Auf ihn konnte sich Bill nicht verlassen. Er wußte aber, daß er sich unbedingt in ärztliche Behandlung begeben mußte.
Der Reporter stand auf.
Er schaffte es mit mühsamen Bewegungen, steckte auch die Pistole weg und spürte das Zittern in den Knien. Schweiß strömte über sein Gesicht. Er rechnete nach, wie lange es her war, daß Monster und Frau von der Ladung erwischt worden waren. Einige Minuten lag es zurück. Bill kannte die furchtbare Wirkung genau. Die beiden hatten sich inzwischen aufgelöst. Zurück würden blanke Knochen bleiben, die in der Restflüssigkeit schaukelten.
Das alles kannte Bill. Er hatte das Kugel- und Schleimmonstrum geschaffen, und er wußte auch, wie gefräßig es sein würde. Es suchte immer neue Nahrung.
Dabei würde es auch auf Bill Conolly keinerlei Rücksicht nehmen. Davor hatte Bill Angst.
Er schaute in den Flur und atmete zunächst auf, als er ihn leer sah. Die Kugel tötete lautlos. Ihre dünne Wand schloß fugendicht, und sie ließ auch keinen Schall durch.
Bill spürte die Weichheit in den Beinen. Er mußte sich einfach gegen die Wand lehnen, sonst wäre er gefallen. Daß er mit der gesunden Schulter dabei ein Bild von der Wand stieß, störte ihn nicht. Er bewegte sich auf die Tür zu. Bill wollte das Haus verlassen und die Tür verriegeln. Er sah darin die einzige Chance, das Schleimmonstrum unter Kontrolle zu halten.
Der Reporter wankte auf die Haustür zu. Bei jedem Schritt schossen Schmerzen durch Arm und Schulter. Die Adern schienen mit heißer Lava gefüllt zu sein, sein Gesicht glänzte schweißnaß, er hatte den Mund weit aufgerissen und keuchte.
Bill bekam die Haustür nur mühsam auf, ging die ersten torkelnden Schritte, wäre fast gefallen und hatte das Gefühl, die Welt um ihn herum wäre ein Kreisel.
Mut gab ihm das schnackende Geräusch, das entstand, als die Tür hinter ihm zufiel.
Jetzt war das Monstrum gefangen. Es konnte nicht denken und würde auch so leicht keinen Ausweg aus der Misere finden. Es sei denn, ihm gelang es, eine Scheibe einzudrücken.
Das waren nicht Bills augenblickliche Sorgen.
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