0461 - Lupina gegen Mandragoro
Für ihn war wichtig, daß er seinen Wagen erreichte.
Auf dem Weg dorthin hatte er einen leichten Blackout. Er merkte auch kaum, daß er die Tür aufschloß und sich hinter das Lenkrad setzte. Auf seinen linken Arm hatte er kaum Rücksicht nehmen können, aber er war noch so klar, daß es ihm gelang, nach dem Hörer des Autotelefons zu greifen.
Bill Conolly wählte den Notruf der Polizei. Seine Meldung konnte er noch mit schwacher Stimme abgeben, dann sank er im Schalensitz des Wagens zusammen und wurde bewußtlos…
***
»Laß ihn!« vernahm ich die böse, zischende Stimme hinter mir. »Laß ihn nur in Ruhe!«
Ich versteifte und befand mich plötzlich in einer Zwickmühle. Sollte ich wirklich der Aufforderung nachkommen und Suko als Gefangenen in den Klauen des Wald-Dämons lassen?
Ich schaute meinen Freund an.
Er konnte sich kaum bewegen, dennoch nickte er mir zu. »Okay, John«, sagte er gepreßt, »mach dir mal keine Gedanken wegen mir. Ich schaffe das schon.«
»Wie du willst.«
Dann drehte ich mich um und bekam große Augen. Gleichzeitig durchfuhr mich der heiße Schreck, denn ich sah Lupina wie ein Gespenst innerhalb der Dunstschwaden stehen.
Es gab keinen Zweifel, sie war es, auch wenn sie anders aussah, als ich sie in Erinnerung hatte. Sie zeigte sich mir mit menschlichem Gesicht und dem Körper eines Wolfes.
Aber welch ein Gesicht!
Nein, das war schon eine alte, eingefallene Fratze, die aus dem Dunst hervorschaute. Zwar besaß sie noch Ähnlichkeit mit den früheren Zügen, aber Lupina war alt und grau geworden.
Das ebenfalls graue Fell sah stumpf aus. Jeglichen Glanz hatte es verloren. Traurig hingen die einzelnen Fäden nach unten, und auch in den Augen sah ich nicht mehr den Glanz, wie ich ihn kannte.
Lupina mußte schreckliche Zeiten hinter sich haben. Sie war verbraucht, man hatte sie gezeichnet.
Fenris mußte sie gequält haben. Der Mund stand offen und war zur rechten Seite hin verzerrt. Sie trug sogar noch ein Kleid, das jedoch nur aus schmutzigen Fetzen bestand.
Wir starrten uns an.
Plötzlich schien es nur noch uns beide auf der Welt zu geben. In mir peitschten Erinnerungen hoch.
Ich dachte an die zahlreichen Auseinandersetzungen und Kämpfe, die wir bereits gegeneinander geführt hatten. Einen Sieger hatte es dabei nie gegeben.
Sie hatte mich nicht töten können, mir war es nicht vergönnt gewesen, sie umzubringen. Selbst meinen geweihten Silberkugeln hatte sie widerstanden.
Lupina war etwas Besonderes, und sie war die letzte aus dem Ring der Mordliga, die damals von Dr. Tod gegründet worden war.
Unsere Blicke fraßen sich ineinander. Jetzt erkannte ich in ihren Augen wieder den alten Willen und dieses kalte, erbarmungslose Leuchten, das immer dann entstand, wenn sie mich sah.
Auch ein Dämon oder Monstrum wie sie besitzt Gefühle. Sie peitschten in ihr hoch. Sicherlich trug mein Anblick dazu bei.
»Sinclair!« sagte sie.
Wie sie den Namen aussprach, sagte eigentlich alles. Sie legte Haß in ihre Stimme. Das eine Wort zitterte, es sollte mir klarmachen, daß sie unter Strom stand, und ich konnte den Haß fast fühlen, der mir entgegenströmte.
»Hat Fenris dich freigelassen?« fragte ich.
»Wie du siehst.«
»Dann war deine Strafe doch nicht groß genug. Außerdem siehst du schlecht aus, Lupina. Die Zeit der Gefangenschaft ist vorbei, aber ich glaube nicht, daß du dadurch gewonnen hast.«
»Ich gewinne immer!«
»Das würde ich nicht sagen. Bisher hat keiner von uns den anderen besiegen können. Und auch dieses Gebiet, das du dir ausgesucht hast, ist nicht eben geeignet.«
»Ich weiß.«
»Du wirst nicht nur mich zum Gegner haben, auch Mandragoro. Ihn haben Menschen aus seiner Reserve gelockt. Man reizte ihn einfach zu stark. Das konnte er sich nicht gefallen lassen, verstehst du?«
»Ich werde mich arrangieren. Fenris hat mir diesen Platz versprochen. Ich wollte in deiner Nähe sein, Geisterjäger. Jetzt bin ich es. Ich kann von hier aus meine Pläne aufbauen und das zu Ende führen, was ich einmal angefangen habe.«
Ich lachte sie scharf an. »Träumst du noch immer von einer Allianz der Werwölfe?«
»Das ist kein Traum!«
»Lupina, es wird einer bleiben. Damals, in Sibirien, hattest du alle Voraussetzungen, aber die Umstände waren gegen dich, obwohl es anfangs gut aussah. Vieles ist mittlerweile geschehen, es hat Veränderungen gegeben, das wirst auch du merken. Du wirst es schwieriger haben, die Probleme sind gewachsen. Vielleicht haben die Menschen
Weitere Kostenlose Bücher